Wenn da mal wieder jemand das Grundgesetz verteilt …

von Yahya ibn Rainer

Es scheint eine Art Modeerscheinung zu sein, dass Demokratisten kostenlose Exemplare ihrer heiligen Schrift an harmlose Passanten verteilen. Sicherlich wäre früher niemand auf diese Idee gekommen, aber wenn die bösen Salafisten Koranübersetzungen verteilen, und diese zudem noch einen solch reißenden Absatz dabei zu verzeichnen haben, fühlt sich der Demokratist ja geradezu genötigt auch für seine Religion werben.

Bereits im Mai 2012 kündigte der muslimisch klingende GRÜNEN-Politiker Memet Kilic in Pforzheim  an, er wolle auf dem Pforzheimer Markt Gratis-Exemplare des Grundgesetzes in mehreren Sprachen verschenken. Im Januar diesen Jahres tat dies auch der ebenfalls muslimisch klingende Hamburger „Neue Liberale“-Polikter Najib Karim vor zwei Moscheen im Stadtteil Harburg.

Schade, muss ich sagen, dass ich bei den beiden Aktionen in Hamburg/Harburg nicht zugegen sein konnte. Es hätte sich eine schöne Gelegenheit geboten, einem bekennenden Muslim, wie der gebürtige Afghane Najib Karim einer ist, ein wenig auf den grundgesetzlichen Zahn zu fühlen.

Natürlich würde ich dankend ein solch kostenloses Exemplar des Deutschen Grundgesetzes annehmen und ihm einen Platz in meinem Bücherregal zugestehen. Jedoch sollte man, ebenso wie es an Koranständen bundesweit passiert, weitere Informationen dazu anfragen und sich bei dieser Gelegenheit auch ein wenig aufklären lassen.

„Wieso“, würde ich fragen „verteilen Sie das Grundgesetz zum Freitagsgebet vor einer Moschee?“

Die beiden Moscheen in Harburg – die eine mehr die andere weniger – haben in der Vergangenheit schon einige Male in der Presse Erwähnung gefunden. Dort sollen unter anderem „Salafisten“ verkehren. Wenn der gute Herr also ehrlich wäre, würde er das im direkten Gespräch zumindest nicht unerwähnt lassen.

Nun wissen wir von zahlreichen Verlautbarungen aus Politik, Medien und Gesellschaft, dass sich Muslime hierzulande doch bitte an das Grundgesetz zu halten haben. Das ist eine recht häufig formulierte Forderung des Mainstreams. Sollte also der fleißige Grundgesetzverteiler vor der Moschee genau diese Intention gehabt haben, dann kann man sich mit folgender Frage dem Kern des Pudels behutsam annähern:

„Kennen sie die 1. Sure ihres Grundgesetzes? Auswendig vielleicht? Hat ja nur 3 Ayat.“

Ich gehe übrigens davon aus, dass die Mehrheit solcher Politiker, die diesem Salafisten-Trend nacheifern, die 1. Sure (sprich: 1. Artikel) ihrer Verfassung – ohne spezifische Vorbereitung – nicht auswendig rezitieren kann, auch wenn diese nur 3 Ayat (sprich: 3 Absätze) hat.

Die Mehrheit der Muslime jedoch, die diesen Trend gesetzt haben, können die 1. Sure ihrer Verfassung sicherlich auswendig rezitieren. Hier wäre dann auch der geeignete Moment, den Grundgesetzaktivisten auf die Sure al-Fatiha anzusprechen … vielleicht kennt er sie.

Noch wichtiger jedoch, als diese Probe aufs Exempel, scheint mir die Frage, ob der Herr in diesen beiden Moscheen Besucher vermutete, die zu den tragenden Elementen des hiesigen Staates gehören, also zu den Gliederungen von Exekutive, Legislative und Judikative bei Bund und Ländern.

Diese Frage müsste er nämlich eindeutig bejahen, immerhin verteilt er vor den Moscheen ja nicht das Bürgerliche Gesetzbuch, das Straßenverkehrsgesetz oder das Kündigungsschutzgesetz – welche allesamt den Bürger in die Pflicht nehmen und von selbigem auch Befolgung einfordern -, nein, es wird speziell das Grundgesetz verteilt, von dem Wikipedia so schön schreibt:

„Gemeinsam ist den Grundrechten, dass sie primär den Staat verpflichten, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Exekutive, Legislative oder Judikative, Bund oder Land handelt. Keine Rolle spielt auch, ob der Staat unmittelbar oder mittelbar (etwa durch Selbstverwaltungskörperschaften), ob er privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich oder gar durch juristische Personen des Privatrechts tätig wird: stets ist die öffentliche Gewalt grundrechtsverpflichtet (Art. 1 Abs. 3 GG).“

Und sollte er sich tatsächlich entsprechend vorbereitet haben und eine Rezitation des 1. Artikels seines Grundgesetzes fehlerfrei (gern auch ohne Tajweed) vortragen können, dann sollte er spätestens beim 3. Absatz stutzig werden:

„(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“

Ich hoffe, zum Verständnis dieses elementaren Teils seiner Verfassung benötigt er weder einen Tafsir noch einen Sharh. Der nass dürfte klar sein. Klarer wie Kloßbrühe.

Wenn dieser GG-Musel das Grundgesetz also an Menschen verteilen möchte, die den Grundrechten darin verpflichtet sind, dann muss er wohl dem Eindruck erlegen sein, dass solche – wie beispielsweise Parlamentsabgeordnete, Polizeibeamte, Richter, Staatsanwälte usw. – sich am Freitagmittag vorzugsweise in Salafisten-Moscheen aufhalten.

Das jedoch halte ich für höchst unwahrscheinlich (bis auf die 2-3 Spione im Dienste der hiesigen Geheimdienste).

Sollte sich also mal wieder solch ein demokratistisches Salafistenplagiat vor einer Moschee oder in einer Einkaufspassage einfinden, dann fühlt diesem Gecko doch einfach mal auf den hohlen Zahn.

Könnte amüsant werden …

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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