Die 6. Frage des “Kritikers”

6. Warum mussten Juden während des „Goldenen Zeitalters des Islam“ in al-Andalus (heute Andalusien im Süden Spaniens) in der Öffentlichkeit „gelbe Stoffzeichen“ an der Kleidung tragen? Woran erinnern Sie diese „gelben Stoffzeichen“?

Mein Versuch einer Antwort:

Viele Juden (vor allem Zionisten), fast alle Christen und leider auch einige Muslime wollen es nicht wahrhaben, aber es ist ein Fakt und sollte Anerkennung bei allen finden. Judentum, Christentum und Islam partizipieren aus einer gemeinsamen Lehre und Tradition. Wir finden Belege dafür in der Thora, in den Psalmen, den anderen Prophetenbüchern, in den Evangelien und dem Quran. Die Urbotschaft ist immer die gleiche gewesen.

Es gibt nur einen einzigen allmächtigen Gott und nur Er darf angebetet werden.

Auch die moralische und gesellschaftliche Lehre gleicht sich ursprünglich sehr. Was jedoch passierte war folgendes. Im Laufe der Zeit änderten sich die Verhältnisse. Es gab wechselnde verschiedene Großreiche in der Antike, Völker, Länder und Reiche breiteten sich aus, wurden dezimiert oder wurden von anderen eingenommen. Dieser Wechsel führte, z.B. damals beim Volke Israels dazu, dass eigene religiöse Gesetze und Traditionen mit den Gesetzen und Traditionen der anderen Völker kollidierten. Großgelehrte der Religion beschlossen, dass bestimmte Gesetze und Traditionen ausser Kraft gesetzt oder abgeschafft werden müssen, weil sie nicht mehr dem Zeitgeist ensprachen oder Konflikte mit den Andersgläubigen provozierten.

Ähnlich ist es später auch im Christentum passiert. Die ersten Christen waren strenge Buchgläubige, die wahrscheinlich sogar noch im Besitz des originalen Evangeliums von Jesus dem Messias waren. Später übernahmen Großgelehrte im Vatikan die Aufgabe, die diversen überlieferten Schriften für die Bibel auszuwählen und aus ihnen die „christliche Botschaft“ zu extrahieren. Dieser Vorgang der Entwicklung und Interpretation war durchaus nicht ohne Konflikte vonstatten gegangen. Es gab verschiedene Richtungen und Gruppierungen, von denen sich nur einige bis heute durchsetzen konnten. Bis zum heutigen Zeitpunkt findet eine sogenannte „Modernisierung“ der Bibelinterpretation statt, immer im Wandel mit der Zeit und dem Zeitgeist.

So kommen den meisten heutigen Christen Begriffe wie „Gottesfurcht“ eher befremdlich vor, obwohl sie noch im Mittelalter fester Bestandteil der christlichen Lehre waren. Heute muss nach christlicher Lehre niemand mehr „Gott fürchten“. In diesen Kontext muss man auch die gesellschaftlichen Regelungen sehen, die Anwendung fanden, wenn Juden, Christen und Muslime in einer gemeinsamen Gesellschaft lebten.

Das Judentum, wie auch das Christentum, fordert von seinen Anhängern, dass sie sich von den Anderen unterscheiden. Es ist ein goldenes Gesetz, welches die drei Schrift-Religionen (Judentum, Christentum, Islam) gemeinsam haben. Je nachdem, welche Schriftreligion im Staate (vor-)herrscht, müssen sich die jeweils anderen Religionsangehörigen darum bemühen sich von den Herrschenden zu unterscheiden.

Das ist auch der Grund, wieso orthodoxe Juden eine schwarze Tracht und besondere Hüte tragen. Es ist in ihrer Religion vorgeschrieben, sich von den anderen Völkern zu unterscheiden. Der folgende Link kann vielleicht ein wenig Aufschluß geben. Wie kann ich als Jude unter Nichtjuden leben? (Frage an einen Rabbi, mit Antwort)

Auch in Ländern, Staaten und Reichen, in denen Christen die Herrscher waren, mussten sich Juden und Muslime per Dekret des Vatikans unter den Christen sichtlich erkennbar machen:

Das Vierte Laterankonzil von 1215 forderte von den weltlichen Machthabern, Bevölkerungsgruppen wie Juden, Sarazenen und Muslime zum Tragen eines spezifischen Kennzeichens, das jeweils regional festzulegen war, zu verpflichten.

(Quelle Wikipedia)

Interessant im Zusammenhang mit der Frage des „Kritikers“ ist bestimmt auch dieser Abschnit aus einem Wikipedia-Artikel:

Das 4. Lateranische Konzil beschloss im Jahr 1215 (zur Zeit von Papst Innozenz III. und König Heinrich V.), besondere Symbole zur Kennzeichnung Andersgläubiger einzuführen. Den Juden wurden daraufhin in zahlreichen europäischen Ländern ein gelber Fleck bzw. Ring aus Stoff vorgeschrieben, der an der Brust zu tragen war. Das Mainzer Diözesankonzil bestimmte für die deutschen Juden dann 1229, dass sie den erwähnten gelben Spitzhut, einen langen „Judenrock“ (Kaftan) mit gelbem Brustzeichen, einen langen spitzen Bart und einen „Judenstock“ zu tragen hätten.

(Quelle Wikipedia)

Sicherlich wäre es jetzt für den Einen oder Anderen interessant zu erurieren, wer zuerst den „gelben Ring“ auf die Brust des Juden heftete, die Christen oder die Muslime? Mich interessiert es ehrlichweise nicht. Solch ein „gelber Ring“ auf die Brust gestickt, ist meiner Ansicht nach längst nicht so erniedrigend wie die Forderungen des Mainzer Diözesankonzils, nachdem Juden nicht nur einen „gelben Ring“ auf der Brust, sondern auch einen entwürdigenden Judenhut (siehe Bild) und einen Kaftan (also orientalische Kleidung) tragen mußten, … und sogar die Form des Bartes wurde ihnen vorgeschrieben, ein Spitzbart, wie er von den Christen dem wahrhaftigen Teufel angedichtet wurde. Ich empfehle zum Thema die zwei Wikipedia-Artikel …

Judenhut
und
Judentracht

Zur zweiten obigen Frage des „Kritikers“ [Woran erinnern Sie diese „gelben Stoffzeichen“?] lasse ich ebenfalls einen Auszug von Wikipedia sprechen, … aus dem Artikel Judenhut.

Die Nationalsozialisten nahmen die historische Tradition diskriminierender und stigmatisierende Kleiderordnung seit 1941 wieder auf, indem sie Juden das Tragen eines Judensterns sowohl in den Ghettos als auch in der Öffentlichkeit und in sämtlichen Verkehrsmitteln verordneten. Viele ihrer antisemitischen Gesetze hatten kirchliche mittelalterliche Vorbilder, waren aber eine Vorbereitung auf die geplante Ausrottung des europäischen Judentums.

(Quelle Wikipedia)

Wir, orthodoxe Muslime, sind sehr darauf bedacht unsere islamischen Gesetze und Tradition zu erhalten. Wir werden es niemals gutheißen, dass islamische Lehren, Gesetze oder Traditionen ausser Kraft gesetzt oder abgeschafft werden, auch wenn sie in Konflikt mit anderen Gesetzen und Traditionen kommen. Die Scharia gibt dem Muslim einen gewissen Spielraum, individuell zu handeln und in Ausnahmen der Not auch gesetzwidrig zu handeln, aber kein wirklicher islamischer Gelehrter wird jemals irgendetwas am Islam ändern oder umdeuten. Aus diesem Grund gelten für uns immernoch die gleichen Regeln wie vor 1400 Jahren. Dazu gehört die Gottesfurcht ebenso, wie die Verpflichtung sich von den Anderen zu unterscheiden. Gib mir einen „gelben Ring“ mit der Aufschrift MUSLIM und ich werde ihn mit Stolz tragen.

„Tragt ihn mit Stolz, den gelben Fleck!“ sagte damals schon der zionistische Journalist Robert Weltsch

(Quelle Wikipedia)

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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