Vorgestern endete in Frankfurt die Innenminister-Konferenz 2011. Themen dieser Konferenz waren u.a. ein erneutes NPD-Verbotverfahren, die Verlängerung der Anti-Terrorgesetze, eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung, Jugendgewalt und Fußball-Hooliganismus. Ein weiteres Thema war aber auch der sogenannte „Salafismus“. Um es voraus zu schicken: Die NPD ist net so schlimm und wird nicht verboten. Aber dem Salafismus, dem wird der Kampf angesagt.
Keine rosige Aussichten für Muslime die als solche abgestempelt werden. Denn der Begriff Salafist wird meines Wissens nach von keinem Muslim als Selbstbezeichnung benutzt. Was es allerdings gibt, dass ist die sogenannte Salafi-Aqida, auch Athari-Aqida genannt. Aqida steht hier für Glaubenslehre und eben diese Glaubenslehre unterscheidet sich in manchen Punkten von der Aschari- und Maturidi-Aqida, deren Anhänger sich ebenfalls zur Ahlus-Sunnah zählen, also zum sunnitischen Islam.
Um es für Nichtmuslime verständlich auszudrücken: So wie es bei den Christen eine katholische, evangelische und diverse orthodoxe Konfessionen gibt, so gibt es auch bei den Muslimen einige Differenzen. Der Unterschied dieser „islamischen Konfessionen“ liegt vor allem im Verständnis einiger Quran-Verse, die sich mit den Eigenschaften und Attributen des allmächtigen Gottes auseinandersetzen. Man streitet sich um solche Fragen wie: Ist Allah der Erhabene fi samah (über den Himmeln)? Hat Er sich nach dem Schöpfungsakt über Seinen Thron erhoben? Sind die im Quran erwähnten Hände Allahs wirklich existent? Und viele weitere theologische Fragen dieser Art.
Aber was man von den Innenministern hört und in den Medien liest, dass unterscheidet sich doch schon maßgeblich von diesen Tatsachen! Wieso bloß?
Niedersachsens Verfassungsschutz-Präsident Franz Feyder z.B. umschrieb den Salafismus kürzlich in einem Interview so:
„Der Salafismus richtet sich gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung. Er möchte hier in Deutschland einen Gottesstaat aufbauen, In einem solchen Gottesstaat würden danach nur die Gesetze und die Regeln der Scharia gelten und nicht mehr die Gesetze, die von Menschen oder Parlamenten gemacht sind. Die Scharia hätte in einem solchen Gottesstaat in Gänze Gültigkeit, dass heißt also auch die Androhung von Todesstrafe für Glaubensabtrünnige und auch Körperstrafen würden gelten. Der Salafismus ist auch deswegen verfassungsfeindlich, weil er Frauen weitesgehend ihre Rechte abspricht und Gewalt gegen Frauen für zulässig hält. Der Salafismus richtet sich auch gegen eine gemeinsame schulische Erziehung von Jungen und Mädchen und er ist damit auch dafür verantwortlich bzw bestrebt auch Parallelgesellschaften aufzubauen.“
(http://www.ndr.de/info/salafismus103.html)
Hessens Innenminister Boris Rhein kann folgendes über „Salafisten“ erzählen:
„Salafisten fordern die Rückkehr zu einem Steinzeit-Islam und wollen Deutschland in einen Gottesstaat verwandeln. Sie verteufeln alles Westliche. Sie predigen Hass, Intoleranz und Ausgrenzung. Sie fordern die Steinigung von Ehebrecherinnen und die Todesstrafe für Homosexuelle, lehnen die Gleichberechtigung von Mann und Frau ab. Diese Ideologie verstößt gegen unsere Grundwerte, sie ist in höchstem Maß verfassungswidrig und gefährlich.“
(http://www.welt.de/politik/deutschland/article13440468/Minister-warnt-vor-islamistischen-Hasspredigern.html)
Die FAZ hat extra ein Infokästchen unter Artikeln die sich mit „Salafisten“ beschäftigen. In diesem Kästchen findet man u.a. diese Umschreibung:
Salafismus bezeichnet eine rückwärtsgewandte Strömung im Islam. Salafisten verstehen sich als Vertreter des wahren Islams und orientieren sich buchstabengetreu am Koran. Religiöse Praxis und Lebensführung seien an den „frommen Altvorderen“ ausgerichtet, behaupten sie. Die über Jahrhunderte erfolgte theologische Modernisierung des Islams lehnen Salafisten ab.
(http://www.faz.net/artikel/C30840/verfassungsschutzbericht-rhein-salafisten-gefaehrlichste-verfassungsfeinde-30429227.html)
Den Leiter des schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzes, Herrn Horst Egerm hatte ich ja bereits vor einigen Monaten zitiert. Er äusserte sich an einem „Runden Tisch der Religionen“ dahingehend, „dass ideologisierte Islamisten in Diskussionen oft die Unwahrheit sagten“, also quasi notorische Lügner seien.
Aber woher beziehen die Ministerien, Verfassungsbehörden und Medien solch teilweise wirklich abstrusen Informationen? Studieren sie im Internet die Verlautbarungen von pubertierenden Hobby-Jihadisten oder holen sie sich etwa Rat bei konkurrierenden und den sogenannten „Salafisten“ feindlich gesinnten Konfessionen?
Beides wohl! Es gibt mittlerweile eine große Bandbreite an sogenannten „Islamexperten“, die, entweder aus Unwissenheit oder aus Mißgunst, gezielt negative Tatsachen und Fabeln an die Medien und Behörden lancieren. Da gibt es den sogenannten „CounterJihad“ von islamophoben Blogs à la PI-News, Akte Islam & Co. War es vor wenigen Jahren noch verpöhnt sich bei diesen Brandstiftern zu bedienen, so sehen wir heute eine weite Verbreitung dieser Hetze, auch in manchen deutschen Blättern des Boulevard. Es gibt aber auch seriösere Zeitungen, die regelmäßig eine Plattform für einschlägig bekannte Autoren und Journalisten wie Henryk M. Broder, Necla Kelek, Wahied Wahdat Hagh usw bieten. Und auch die Islamexperten von LKA, LfV (VS) und anderen Behörden rekrutieren sich mittlerweile aus einem gewissen Milieu (wie z.B. Jochen Müller, der direkt von MEMRI (Deutschland) in die Dienste der Bundeszentrale für politische Bildung wechselte).
Aber das sind alles Nichtmuslime. Ihre Abneigung gegen den Islam und die Muslime ist nichts aussergewöhnliches. Allah der Erhabene selbst belehrt uns darüber, dass die Nichtmuslime, und hier speziell die Christen und Juden, nie mit uns zufrieden sein werden:
Weder die Juden noch die Christen werden mit dir zufrieden sein, bis du ihrem Glaubensbekenntnis folgst. Sag: Gewiß, Allahs Rechtleitung ist die (wahre) Rechtleitung. Wenn du jedoch ihren Neigungen folgst nach dem, was dir an Wissen zugekommen ist, so wirst du vor Allah weder Schutzherrn noch Helfer haben.
Quran 2:120
Die wahre Gefahr für uns Muslime in dieser Situation sind die Heuchler und Verräter unter uns. Die Leute, die sich selbst dem Islam zuschreiben und in Diensten der Nichtmuslime stehen und zu ihren Gunsten und nach ihren Neigungen Expertisen erstellen und Vorträge halten. Personen, die ihren Titel als „Muslim“ mißbrauchen, um gängige Vorurteile und Lügen zu festigen und in einem pseudowissenschaftlichen Gewandt für einen niedrigen Lohn an die Nichtmuslime zu verkaufen. Sie sind Lügner par excellence und präsentieren stolz ihre erhabene Position unter den Nichtmuslimen, die ihnen mit Preisen und Auszeichnungen vergolten wird.
Solch einen Lügenbaron möchte ich heute gern beim Namen nennen. Cemil Sahinöz ist ein hochangesehener und vieldekorierter Soziologe und Autor. Erst kürzlich bekam er den „Akademiker- und Integrationspreis des AIB (Europäischer Arbeitgeber und Akademiker Verbandes NRW)“ und im Januar bekam er eine „Auszeichnung für sein Engagement im Bereich Integration von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel“ (>>).
Sahinöz hält durchschnittlich 100 Vorträge, Seminare, Workshops im Jahr in unterschiedlichen Einrichtungen, Organisationen und Institutionen zu Themen, wie z.B. Integration, Islam, Deutsches Bildungssystem, Anti-Gewalt-Training, Erziehung, Pädagogik, Psychologische Problematiken, Soziologische Themen. 2006 wurde sein Aufsatz „Situation der türkischen Familien in Europa“ von Diyanet (DITIB) zum „Besten Aufsatz des Jahres“ gewählt. Seine Webseite wurde in einer Forschungsarbeit für den Lehrstuhl für Vergleichende Kultur- und Sozialanthropologie an der Europa-Universität Viadrina unter 42 Islam-Foren in den Bereichen „Offenheit“, „Dialog“, „Meinungsfreiheit“, „Toleranz“ und „Demokratisch“ am besten bewertet. Er ist Gründer und Chefredakteur der Zeitschrift „Ayasofya“ und schreibt seine Doktorarbeit in den Bereichen Philosophie und Theologie.
(http://www.islamische-zeitung.de/?id=14807)
Diese riesige Palette an Lobpreisungen und Auszeichnung und die Tatsache, dass Herr Sahinöz „seine Doktorarbeit in den Bereichen Philosophie und Theologie“ schreibt, scheint ihn ja in den Augen mancher zu einem authentischen Islamexperten zu machen. So sah er sich also am 14.06.2011 in der Lage, einen „Vortrag zum Thema Wahhabiten und Salafisten“ zu halten. Das passt ja sehr gut in diese Zeit. Die Medien, wie auch die Behörden, lechzen ja nur so vor Beistand und Agitation in diese Richtung. Und diese liefert der Experte dann auch allzu gern.
Die Eröffnungsrede hielt dann auch passender Weise Herr Dr S. Walter, vom NEIS (Niedersächsische Extremismus-Informationsstelle) des Niedersächsischen Verfassungsschutzes. Und gegenüber diesem hochkarätigen Publikum ließ der „Experte“ dann Schoten vom Stapel, die auf keine Kuhhaut gehen und den angehenden Theologen bzw Philosophen als waschechten Lügenbaron entlarven.
Wer die Zusammenfassung samt Lobpreisung lesen möchte, der tue das auf seinem eigenen Blog unter der URL http://misawatruth.wordpress.com/2011/06/14/14-06-2011-vortrag-zum-thema-wahhabiten-und-salafisten
Ich warte aber auch gerne mit einigen Auszügen auf:
Cemil Sahinöz vertritt seinen Islam auf moderne Weise, dass wurde gleich zu Beginn seines engagierten und intelligent wirkenden Vortrages deutlich. … Anhand von einer Reihe von Vortragsfolien erklärte er die theologischen Grundlagen von Wahhabiten und Salafisten und machte deutlich wo sie in der Interpration der islamischen Schriften falsch liegen würden. […]
Eindrucksvoll war die Darstellung einiger Verhaltensweisen von Salafisten. Sie orientieren sich nahezu ausschließlich an dem, was ihr Prophet Mohammed kannte und selbst auch gemacht hat. So lehnen sie die Benutzung von Besteck ab, essen also mit den Fingern und lassen sich nicht filmen. Die Erklärung ihrer Anwendungen von Youtube und Autos würde sie dann allerdings in Erklärungsnöte bringen, so Cemil Sahinöz.
Sie würden alle, die nicht genau ihre Interpretation teilen, als Feinde des Islam ansehen, die dann eben gegebenenfalls auch den Tod verdienen würden.
(http://misawatruth.wordpress.com/2011/06/14/14-06-2011-vortrag-zum-thema-wahhabiten-und-salafisten/)
Ganz sicher gibt diese Zusammenfassung nicht jeden Tobak wieder, den Herr Sahinöz vor seinem unwissenden Publikum verzapft hat. Aber diese wenigen Auszüge sind schon jenseits von gut und böse. Natürlich benutzen sogenannte Salafisten Besteck und auch die anderen Vorwürfe bzw Mythen sind vollkommen schwachsinnig. Herr Sahinöz produziert sich als großer Kenner der Materie, entpuppt sich aber als ein osmanischer Baron Münchhausen mit Aufmerksamkeitskomplex, der wahrscheinlich die Gunst der Stunde nutzen will, um sich bei den pösen Wahhabiten für den Niedergang des Osmanischen Reiches zu rächen.