Buchauszug: H. L. Mencken – Erfolg, Charakter und Wahrheit im demokratischen Staat

«Allein durch ihr Verdienst kommen Politiker, wenn überhaupt, nur selten an ihr Amt, am wenigsten in demokratischen Staaten. Sicher, manchmal passiert es dennoch, aber nur aufgrund eines Wunders. Sie werden normalerweise aus ganz anderen Gründen gewählt, führend darunter ist schlicht ihre Fähigkeit, die intellektuell Unterprivilegierten zu beeindrucken und zu begeistern […]

Wird es irgendjemand von ihnen wagen, die Wahrheit zu erzählen, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit über die außen- und innenpolitische Lage ihres Landes?

Wird irgendjemand von ihnen auf Versprechungen verzichten, die er gar nicht erfüllen kann – die niemand erfüllen könnte?

Wird irgendjemand von ihnen ein Wort äußern, egal wie offensichtlich das die riesige schwachsinnige Meute beunruhigen oder befremden wird, die sich mit unberechtigter Hoffnung am öffentlichen Trog versammeln und sich im immer dünner werdenden Brei suhlt?

Antwort: Vielleicht am Anfang für ein paar Wochen […] Aber nicht mehr, nachdem die Sache ordnungsgemäß angelaufen ist. Dann wird es ernst […] Sie werden allen, jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind in ihrem Land alles versprechen, was er, sie oder es sich wünscht. Sie werden im Land umherziehen, um nach Chancen zu suchen, die Reichen arm zu machen, um das Unabänderliche abzuändern, um das Unreparierbare zu reparieren, um das Unlösbare zu lösen, um das Unheilbare zu heilen. Sie werden alle Warzen heilen, indem sie Formeln darüber murmeln, und sie werden die Staatsschulden mit Geld zahlen, das niemand verdienen muss. Wenn einer von ihnen demonstriert, dass das Doppelte von Zwei Fünf ist, dann wird ein anderer beweisen, dass es Sechs, Sechseinhalb, Zehn, Zwanzig oder sonst etwas ist.

Kurz gefasst: Sie werden ihren sensiblen, ehrlichen und aufrichtigen Charakter ablegen und einfach Kandidaten für ein Amt werden, allein darauf versessen, Stimmen zu fangen. Wenn es soweit ist, werden sie alle wissen, selbst wenn einige von ihnen es jetzt noch nicht wissen, dass Stimmen in der Demokratie nicht durch vernünftiges Reden, sondern durch die Verbreitung von Unsinn gewonnen werden. Und sie werden sich mit großer Begeisterung dieser Aufgabe widmen. Bevor das Getöse vorüber ist, werden die meisten von ihnen sich tatsächlich von sich und ihrem unsinnigen Gerede selbst überzeugt haben.

Gewinner wird derjenige sein, der das Meiste verspricht und dabei die geringste Wahrscheinlichkeit besitzt, irgendetwas davon zu halten.»

(H.L. Mencken, A Mencken Chrestomathy: His Own Selection of His Choicest Writing / übersetzt und zitiert in Hans-Hermann Hoppe, Der Wettbewerb der Gauner – Über das Unwesen der Demokratie und den Ausweg in die Privatrechtsgesellschaft, S. 26-27)

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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