Immer wenn sich mir die Gelegenheit dazu bietet, mache ich Mitmenschen – und vor allem Glaubensgeschwister – darauf aufmerksam, dass man kritischer mit dem Medienvokabular umgehen sollte und nicht alles so übernehmen sollte wie es uns aufgetischt wird. Wie manipulativ die Medienberichterstattung sein kann, müssen wir orthodoxen Muslime ja bereits seit einigen Jahren erfahren. Aber wir sind nicht das einzige Feindbild, welches von den hiesigen Medien aufs Korn genommen wird.
Ebenfalls ist ihnen alles zuwider, was nicht mindestens ebenso demokratistisch und linkslastig ist wie sie. Dazu gehören auch konservative Kräfte aus der praktizierenden Christenheit, dem orthodoxen Judentum und dem Libertarismus. Faktisch jeder, der nicht das Liebeslied von Demokratie, Feminismus, Frühsexualisierung, Schwulen-Ehe usw mitsingt, ist in ihren Augen ein Rechter, und rechts ist eben genau das selbe Adjektiv, mit welchem man heute auch Nazis bezeichnet.
Nazis sind aber nicht rechts, Nazis sind Sozialisten, also Linke. Sie sind zwar nebenbei auch Nationalisten und Rassisten, aber dass ändert nichts an ihrer sozialistischen Ausrichtung. Die Tatsache, dass sich rote und braune Sozialisten gegenseitig die Köppe einhauen liegt wohl eher an der Konkurrenz als an der Gegensätzlichkeit.
Zu diesem Thema möchte ich gern einen Aufsatz bemühen, verfasst von einem bekannten katholischen Universalgelehrten des letzten Jahrhunderts. Erik Maria Ritter von Kuehnelt-Leddihn ist für mich kein Unbekannter. Ich zitierte ihn schon mehrfach auf diesem Blog und empfehle u.a. sein Buch Konservative Weltsicht als Chance. Hier also sein Aufsatz zum Thema:
Der linke Etikettenschwindel
Kein Gegensatz, sondern eher Konkurrenzkampf
Erik von Kuehnelt-Leddihn über die wahre ideologische Heimat des Nationalsozialismus
Als in der Endzeit der Weimarer Republik die kommunistischen und die nationalsozialistischen Schlägertrupps handgreiflich aneinandergerieten (siehe oben), ging es nicht um diametral gegensätzliche Ideologien, sondern um den Machtkampf zweier Gruppierungen, die sich in vielen wichtigen Punkten ähnlich waren. Ich bin ein Rechter und daher ein absoluter Gegner des Nationalsozialismus. Wenn das den Leser überrascht, kennt er entweder wie einst die Einwohner von Niniveh (Jonas, 4, 10) den Unterschied zwischen „rechts“ und „links“ oder den wahren Charakter des Nationalsozialismus oder vielleicht auch beides nicht.
Auf jeden Fall aber ist die schlechte Angewohnheit, die brandlegerischen Punker „Rechtsradikale“ zu nennen, genau so ein glatter Unsinn, wie den Massenmord an Geisteskranken, Israeliten und Zigeunern als „Holocaust“ (mit englischer Orthographie!) zu bezeichnen, denn so nannten die frommen Hellenen ihre Brandopfer für die Gunst ihrer Götter.
Der Nationalsozialismus entstand in Böhmen, und zwar 1896, als tschechische Sozialdemokraten, die den Sozialismus auf internationaler Ebene als irrealistische Utopie empfanden, unter der Führung von Klofac, Stribrny und Franke eine nationalsozialistische Partei gründeten. Ihr Führer wurde 1919 Eduard Benes, ein Nationalsozialist von echtem Schrot und Korn, der schon 1943 im Exil erklärte, daß man Hitler nachahmen müsse. Das Leitbild dieser neuen Partei war die taboritische Bewegung der Husiten, die radikal links, nationalistisch und fanatisch deutschfeindlich war.
Der nationalistische Linksdrall in Böhmen und Mähren fand Widerhall unter manchen Deutschen dieser Länder, denen die „Deutschnationale Partei“ zu bürgerlich war, und so schlossen sie sich in einer „Deutschen Arbeiterpartei“ zusammen. Vorschläge, sich auch nationalsozialistisch zu nennen, lehnten sie wiederholt ab, denn sie wollten nicht als Nachahmer von Tschechen gelten.
Goebbels sah sich als Repräsentant der politischen Linken. Erst am 5. Mai 1918 in Wien wurde die DAP in „Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei“ umbenannt. Ihr Programm war eindeutig links. Es war offen gegen die Donaumonarchie gerichtet, antihabsburgisch, antiaristokratisch, antiklerikal, antikapitalistisch und – einziger Unterschied zu ihrem tschechischen „Vorbild“ auch antisemitisch. Die Namenserweiterung fand – ein symbolischer Zufall? – am 100. Geburtstag von Karl Marx statt.
Dann kamen bald das Kriegsende und der „Umsturz“. Hitler diente in München mit roter Armbinde unter den Kommunisten (siehe J. Fest: „Hitler“, 1973, S. 122). Bei den ersten Wahlen in der Tschechoslowakei bekamen die deutschen Nationalsozialisten schon 42.000 Stimmen.
Der aus Böhmen ausgewiesene Ingenieur Rudolf Jung überredete Hitler, der in München auch einer „Deutschen Arbeiterpartei“ angehörte und beabsichtigte, ihr die Bezeichnung „sozialrevolutionär“ zu geben, sie lieber „nationalsozialistisch“ zu nennen. Jung überzeugte ihn auch, die rote Fahne als zugkräftiges Symbol zu benützen. Im Dritten Reich wurde die „altösterreichische“ Führungsgruppe der DNSAP-NSDAP unter den Teppich gekehrt und mit kleineren Stellungen abgefüttert, um die „Originalität“ des „Größten Führers aller Zeiten“ nicht in Frage zu stellen. Nach 1945 wurde sie dann von den tschechischen Nationalsozialisten im Verein mit den Kommunisten in Böhmen und Mähren ausgerottet. Rudolf Jung verhungerte 1945 im Prager Pankrac-Gefängnis; Hans Krebs wurde 1947 hingerichtet.
Selbstverständlich bestanden die leitenden Nationalsozialisten (Hitler, Goebbels, Heß) stets darauf, echte, wenn auch „deutsche Demokraten“ und gute Republikaner zu sein. Für Rudolf Heß war der Nationalsozialismus die „edelste Form der europäischen Demokratie“. Goebbels bekannte sich sogar noch 1926 als „deutscher Kommunist“ und erklärte 1933 dem „Petit Parisien“ in einem Interview, daß die Deutsche Revolution das Gegenstück zur Französischen sei.
Doch der Linksdrall trieb Goebbels zur Aussage: „Wir sind Antisemiten, weil wir Sozialisten sind.“ War es doch auch das Programm der Braunen, den „bürgerlichen Klassenstaat zu zertrümmern“, wie Hitlers bis in den Tod treuester Paladin, Goebbels, es geplant hatte (siehe sein „Der Nazi-Sozi“, 1932, S. 10). Ja aber, fragt vielleicht der naive Zeitgenosse, haben die Braunen nicht „dennoch“ behauptet, „rechts“ zu stehen? Keine Spur! Goebbels erklärte am 6. Dezember 1931 im „Angriff“, daß die NSDAP die „deutsche Linke“ verkörpere und den „bürgerlichen Nationalismus“ verachte. Kann das deutlicher gesagt werden? Was will man mehr?
Über Nacht wechselten viele in das internationale Lager. Doch unsere geschichtslosen Spießer sind nicht so leicht zu überzeugen: Die NSDAP kämpfte doch gegen den so linken Kommunismus, also war sie sein rechter Feind! Aber man erinnere sich daran, daß bei den Wahlen im November 1932, bei einem Rückgang der braunen Stimmen, die Kommunisten 100 Vertreter in den Reichstag schickten: Viele Nationalsozialisten waren über Nacht zu Internationalsozialisten geworden.
Hitlers Ziel war die Vernichtung der konservativen Kräfte.Von Speer wissen wir, wie sehr Hitler später bereut hatte, Franco und nicht die ihm viel sympathischeren, die Friedhöfe und Leichen schändenden Rotspanier unterstützt zu haben. Zudem betrachtete Hitler den Nationalsozialismus als eine „auf exakter Wissenschaft aufgebaute Volksbewegung“, eine Formel, die sicherlich auch Lenin hätte benützen können.
Doch unsere Spießer geben nicht nach. Für sie (aber nicht nur für sie) bleiben Braun und Rot „diametrale Gegensätze“. Und da kommen sie mit dem großen Blödsinn, den L.S. Mercier verbreitet hatte: „Die Extreme berühren sich.“ Siedendes Wasser und Eis? Geparde und Schnecken? Mücken und Elefanten? Wenn man so einen Stammtischpolitiker fragt, wo er selbst stünde, hören wir ihn wahrscheinlich mit leicht vibrierender, klagender Stimme gestehen: „In der Mitte! In der Mitte!“ Worauf ich dann boshaft bemerke: „Also Ihrer Meinung nach am halben Weg zwischen dem Obersalzberg und der Lubjanka?“ Nein! Das hört er natürlich auch nicht gern.
Man muß sich einmal das Programm der Nationalsozialisten für das Ende des Zweiten Weltkriegs im Falle ihres Sieges vorstellen. Unser Spießer wird sagen, daß dies ein Sieg des „Kapitalismus“ über den „Sozialismus“ gewesen wäre, aber das würde keineswegs so gewesen sein. Walter Haids „Sozialismus als Träger des Dritten Reiches“ (Berlin, 1935) möge da als Augenöffner dienen.
Dagegen wendet die linke Propaganda ein, daß die Wahlsiege der Nationalsozialisten durch das „Großkapital“ finanziert wurden. Tatsächlich aber hat das Großkapital alle politischen Parteien, außer die Kommunisten, unterstützt (die bekamen ihr Geld aus Moskau). Ludwig von Mises hat uns verraten, daß die deutschen Industriellen, deren Land jahrelang höchst undemokratisch durch Notverordnungen regiert wurde, schließlich vor der Wahl standen, entweder von den Braunen versklavt oder von den Kommunisten notgeschlachtet zu werden.
Hätte Hitler einen Sinn für Humor gehabt, würde er Woodrow Wilson ein kolossales Denkmal gesetzt haben, denn dieser amerikanische Präsident hatte 1917 nach dem Fall der russischen Monarchie ein wahres Völkerringen in einen ideologischen Kreuzzug verwandelt, dessen Produkt die Weimar Republik war. Die bot der NSDAP – genau so wie es Plato von der Volksherrschaft vorausgesagt hatte – den idealen Rahmen zur Wandlung in die Tyrannis. Hitler aber hatte, abgesehen von der Übernahme des Chaplin-Schnurrbarts, wenig Sinn für Humor.
Nun erfährt man aber in Goebbels „Tagebuch“ (II. 14), daß es, wie ihm Hitler verriet, nach einem Endsieg des Dritten Reichs allen „konservativen“ Kräften, vor allem dem Christentum, an den Kragen gegangen wäre. Es war schließlich, wie Dahrendorf sagte, die Moderne, die 1933 in Deutschland ihren Einzug gefeiert hatte, während die Rechte, die „Reaktion“ am 20. Juli 1944 das so linke „Rad der Geschichte“ zurückdrehen wollte, was aber leider nicht gelang.
Alle großen Europäer, so verkündete der Amerikaner Allan Bloom, seien immer rechts gestanden. Das trifft selbst auf Freud zu. Marx war ein verhängnisvoller, aber kein „großer Europäer“. Die Tatsache, daß 34 Jahre nach seinem Tod ein Sechstel der Erde seiner Ideologie untertan gemacht werden konnte, besagt gar nichts. Je dümmer eine populistische Theorie, desto rascher ihr Sieg. Das Christentum brauchte immerhin nicht 34, sondern 300 Jahre, um in einem großen Sektor der Ökumene zu triumphieren.
In einem sehr guten Aufsatz hat der sächsische Justizminister Steffen Heitmann (siehe Deutschland-Magazin 7/97) den Unterschied zwischen Rechts und Links herausgearbeitet. Seit einem halben Jahrhundert beschäftige ich mich mit diesem Thema. „Rechts“ steht für Persönlichkeit, Vertikalität, Transzendenz, Freiheit, Subsidiarität, Föderalismus und Vielfalt, „Links“ für Kollektivismus, Horizontalismus, Materialismus, Gleichheit-Nämlichkeit, Zentralismus und Einfalt (in beiden Sinnen des Wortes). Hier muß man auch bemerken, daß Freiheit und Gleichheit Gegensätze sind, denn Gleichheit ist „unnatürlich“ und kann lediglich in der Tyrannis künstlich geschaffen werden. Nur Sklaven sind „gleich“.
Nationalismus und Rassismus sind links, Patriotismus ist rechts. Das Christentum steht rechts, und der Dominikaner Bruckberger sagt mit Recht, das Neue Testament sei eine Botschaft der menschlichen Ungleichheit. Tatsächlich ist in fast allen Sprachen Rechts ein positiver, Links ein negativer Begriff. Im Deutschen hängt „rechts“ mit richtig, gerecht und Recht zusammen (im Englischen ist es ähnlich). Im Slawischen leitet die Silbe prav eine ganze Reihe positiver Bezeichnungen ein.
Die NS-Abgeordneten gehörten nicht auf die äußerste Rechte. Im Italienischen ist la sinistra die Linke, il sinistro der Unglücksfall. Analoges finden wir im Arabischen, im Sanskrit, im Japanischen und Ungarischen. Auch die Bibel spricht dieselbe Sprache. Prediger 10,2 sagt uns, daß gegen alle Anatomie das Herz des Weisen auf der Rechten und das des Narren auf der Linken schlägt. Welcher konfuse Idiot war aber dafür verantwortlich, die NS-Abgeordneten auf der äußersten Rechten des Reichstags anzusiedeln? Stalin dekretierte aus ideologischen Gründen, daß man die Nationalsozialisten „Faschisten“ nennen müsse, und die deutsche Linke folgte lakaienhaft diesem Ukas. In Wirklichkeit hatte Mussolini während seiner Jahre in Welschtirol von den tschechischen Nationalsozialisten im Wiener Reichsrat und ihrer husitischen Inspiration gehört. Das bewog ihn 1913 in Rom, ein Buch über Hus („Giovanni Hus, il Verdico“) zu veröffentlichen.
Die Gleichsetzung mit dem Faschismus ist höchst ungerecht
Mussolini kam vom italienischen Sozialismus her, und seine Bewegung hatte anfänglich und auch am Ende einen strikt republikanischen Charakter (die Fasces sind ein republikanisches Symbol!). Erst in der Republica Sociale Italiana konnte er sich ganz austoben. Vorher war er durch Monarchie und Kirche „beengt“ gewesen.
Freilich hatte der Faschismus auch eine nichtpolitische Rolle: den im Grund so anarchischen Italienern ein wenig Disziplin beizubringen, um sie so mit den industriellen Nationen des Nordens wettbewerbsfähig zu machen. Es war auch keineswegs in den Sternen geschrieben, daß Italien sich im Zweiten Weltkrieg auf die Seite des Dritten Reiches schlagen würde. Dafür war die hirnlose Außenpolitik Edens verantwortlich. Den Nationalsozialismus „faschistisch“ zu nennen, belastet die Italiener moralisch in höchst ungerechter Weise.
Wie auch immer: Der Nationalsozialismus hat mit der rechten Tradition Europas nicht das Geringste zu tun. Daher beginne oder schließe ich auch meine Vorträge in Übersee oft mit den Worten: „Ladies and Gentlemen, Right is Right and Left is Wrong.“
2 Gedanken zu „Fundstück: Erik von Kühnelt-Leddihn – Die wahre ideologische Heimat des Nationalsozialismus“