„Das schlagendste Lob, dass für die Demokratie aufgefahren wird, lautet immer noch: Freiheit!
Wo, heißt es, darf man denn sonst schon seine Kritik so frei sagen? Und: Welches System erlaubt seinen Bürgern schon so viele Freiheiten?! Stimmt, diese Freiheiten gibt es: Die reichen von der Meinungsfreiheit über die Versammlungsfreiheit bis hin zur Koalitionsfreiheit. Man darf zudem seine Religion frei ausüben und heiraten, wen man will. Man darf einen Beruf nach eigener Wahl aussuchen und die Freizügigkeit auf dem hiesigen Territorium ist tatsächlich auch noch gestattet.
Aber spricht das eigentlich für die demokratische Form der Herrschaft, wenn sie – erstens – erlaubt, was doch ganz ohne staatliche Lizenz selbstverständlich sein sollte: Sich nämlich so seine Gedanken über die Welt zu machen, sich mit anderen privat oder politisch zusammenschließen, glauben, was man will und sich zwischen Bayrischem Wald und Ostfriesland frei bewegen.
Und warum soll man – zweitens – einem System seinen Segen erteilen, nur weil es erlaubt, die Klagen zu äußern, für die die demokratisch regierte Gesellschaft offenkundig permanent Gründe liefert?
Bemerkenswert zudem ist – drittens -, dass es gerade bei dieser Freiheit, der Meinungsfreiheit, schwer darauf ankommt, es beim Meinen zu belassen, sich selbst also zu verbieten, aus der Meinung ein Urteil und aus dem Urteil eine widerständige Praxis abzuleiten.
Die Selbstrelativierung des Urteils zur bloß subjektiven Meinung ist die Bedingung dafür, diese Lizenz überhaupt wahrnehmen zu dürfen.“
(Prof. Dr. Freerk Huisken, Eigentum oder Willkür – Flasche leer, eigentümlich frei Nr. 131, Seite 56)