„Jedes Volk auf dem Weg zur Zivilisation besaß seine heiligen Bücher, die seinen Fortschritt bedingten. Selbst der unreligiöseste Mensch wird in den bewundernswerten heiligen Büchern großer historischer Völker so etwas wie das Werk einer Vorhersehung anerkennen. Auf der anderen Seite hat man sie wegen ihrer außerordentlichen Übereinstimmung mit der gesellschaftlichen Situation für Monumente menschlicher Weisheit gehalten, denen durch geschickten Trug übermenschlicher Ursprung unterlegt worden wäre.
Diese Auffassung führt leicht zu dem großen Irrtum anzunehmen, die Staatsgewalt sei der Urheber dieses Gesetzes, während sie ihm im Gegenteil unterworfen ist, wie sich am Fünften Buch Mose zeigt, wo es heißt, der König solle sich eine Abschrift des Gesetzes anfertigen lassen, täglich in ihm lesen, alle seine Gebote getreulich einhalten und weder rechts noch links von ihnen abweichen. (A.T., 5. Buch Mose, XVII, 16-19)
Nicht die Staatsgewalt setzt das Gesetz, sondern die Gottheit durch den Mund inspirierter oder gläubiger Männer. Nicht die staatliche Autorität, sondern die Gottheit wird durch einen Übergriff beleidigt. Nicht die staatliche Autorität, sondern die Gottheit allein bestraft die Übertretung.“
(Bertrand de Jouvenel, Über die Staatsgewalt – Die Naturgeschichte ihres Wachstums, Seite 237)