Buchauszug: Ibn Khaldun – Bei der Beseitigung ungerechter Herrscher ist die Asabiya wichtiger als religiöser Eifer

«In dieses Kapitel gehören die Fälle von Rebellen aus dem gemeinen Volk und von den Rechtsgelehrten, die sich erhoben, um dem Übel zu begegnen. Denn viele religiöse Menschen, die sich dem Dienst an Allah widmen und auf den Pfaden der Religion wandeln, schicken sich an, sich gegen ungerechte Emire zu erheben und rufen in der Hoffnung auf Allahs Belohnung dazu auf, dem Übel zu begegnen, ihm zu entsagen und Gutes zu tun.

Zahlreich sind (gewöhnlich) ihre Gefolgsleute und Anhänger aus der breiten Masse, die dabei ihr Leben aufs Spiel setzen – und die meisten von ihnen kommen auf diese Weise unbelohnt und als Sünder um. Denn Allah, gepriesen sei er, hat sie hierzu nicht bestimmt! Er bewegt nur etwas, wo (ausreichend) Macht vorhanden ist.

Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Heil – sagte:

«Wer von euch Übel erblicket, der soll ihm mit seiner Hand begegnen. Vermag er dies nicht, so tue er es mit seiner Zunge. Vermag er (auch) dieses nicht, so tue er es mit seinem Herzen.»

Herrscher und Staaten sind fest und stark gegründet. Ihre Grundlage kann nur durch starken Druck, der die Asabiya (Solidarität) von Stämmen und Sippen hinter sich weiß, erschüttert und zerstört werden, so wie wir es oben angeführt haben.

Auch die Propheten – Segen und Heil sei über sie – bedurften, wenn sie zu Allah aufriefen, der Sippen und Gruppen, wo sie doch (eigentlich) diejenigen sind, die die Unterstützung Allahs mit allem, was es gibt, hätten erhalten können, sofern Er gewollt hätte. Doch Er ließ vielmehr (selbst bei ihnen) die Dinge ihren üblichen Verlauf nehmen. Allah ist weise und allwissend.

Schlägt nun ein Mensch einen solchen Weg ein und folgt dabei der (religiösen) Wahrheit, lässt ihn die Isolierung von der Asabiya (selbst) dabei fehlgehen, und er kommt um.

Benutzt ein solcher Mensch (außerdem noch) die Religion, um die Führerschaft zu erlangen, geschieht es zu Recht, dass er daran gehindert wird und ihn der Untergang ereilt. Denn ein solches Unterfangen ist eine Sache Allahs, die nur mit Seinem Wohlgefallen und Seinem Beistand sowie durch aufrichtige Ergebenheit gegenüber Ihm und Wohlwollen gegenüber den Muslimen Erfolg hat. Kein Muslim wird Zweifel, kein Mensch mit Einsicht wird Argwohn daran hegen.»

(Ibn Khaldun / gest. 808 n.H., Buch der Beispiele – Die Einführung/al-Muqaddima, übersetzt von Mathias Pätzold, Seite 114-115, Übersetzung leicht redigiert)

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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