Der Wunsch der Araber an einen deutschen Forscher

Prof. Dr. phil. Ludwig Ferdinand Clauß (1892-1974), war Psychologe, Philosoph, Sprach- und Literaturwissenschaftler sowie ein leidenschaftlicher Völkerkundler. Seine spezielle Forschungsmethode, nämlich „das Mitleben“, das er als „den Weg zum Andern“ verstand, war wohl ausschlaggebend für seine frühe Zuneigung für die Araber und den Islam. So schreibt er in seinem 1963 erschienen Buch „Die Weltstunde des Islams“ auf Seite 62:

„Gewiß kann der Forscher auch selber Stellung nehmen, nicht so sehr als Forscher zwar wie als praktischer Mensch, und er tut dies notwendig öfter, ob er nun will oder nicht. So hat mich denn meine Erkenntnis zu einer praktischen Stellungnahme geführt, die ich weder verleugnen kann noch verleugnen will: zu einer Stellungnahme  f ü r  den Islam, nicht gegen ihn.“

Dies geschah freilich bereits 1927, als er sich zu einer 4jährigen Exkursion im Nahen Osten aufhielt. Darauf folgten nun einige Jahre als deutscher Muslim im Deutschen Reich, eine fragwürdige Zeit als Mitglied der NSDAP und SS, die heldenhafte Rettung seiner jüdischen Assistentin vor der Verfolgung der Nazis und ein daraus resultierendes Parteiausschlussverfahren.

1959/60 dann reiste er ein weiteres Mal in den Nahen Osten. Wieder als Forscher, nur diesmal als muslimischer. Sein bereits erwähntes Buch „Die Weltstunde des Islams“ berichtet über diese Forschungsreise und die Eindrücke, die sich dem bereits über 60jährigen offenbarten.

Der Nahe Osten, ja die gesamte arabische und muslimische Welt, befand sich zu dieser Zeit in einem großen Wandel. 2 Jahre zuvor vereinigten sich Ägypten und Syrien unter der Führung des Sozialisten Gamal Abdel Nassers und der syrischen sozialistischen Baath-Partei zur Vereinigten Arabischen Republik (VAR), welche nur 2 Jahre darauf durch einen Putsch der Baath-Partei wieder auseinander brach.

In diesem Klima von verschiedensten nationalistischen, sozialistischen und kommunistischen Bewegungen besuchte also Muhammad Ferid el-Almani, wie Clauß sich selbst dort nannte, Syrien. Es kündigte sich genau das an, was wir heute im Ergebnis erleben dürfen, nämlich ein arabischer Staat unter der Herrschaft einer sozialistischen Baath-Partei und  unter der Knute des al-Assad-Klans.

An vielen Stellen seines Buches gibt Clauß bereits einen kleinen Einblick in die prekäre Lage, in der sich ausländische Gäste, aber auch traditionelle Muslime und der Islam an sich befanden. Ein beklemmendes Dokument, das von der Abkehr der Araber von ihrer eigenen Identität, Kultur und Geschichte berichtet und einer fast schon zwangsneurotischen Hinwendung zu abendländischen, z.T. bereits gescheiterten politischen und gesellschaftlichen Konstrukten und Relativismen.

Besonders zutage kommt dieses düstere Zeitzeugnis zu Beginn seines Kapitels „Das Lebendige im Islam“. Dort schreibt er in einer „Vorerwägung“ folgendes:

„Seitdem es da und dort bekannt geworden ist, daß der Verfasser den Islam durch Mitleben in seiner eigenen Welt erforscht, treten Wünsche an ihn heran, wie z.B. dieser: er möge Mittel finden, durch die es möglich ist, die geistige Macht des Islams in den islamischen Ländern wirksam auszuschalten.“

Diesem Wunsch kam er aber dann nicht nach … Allah sei ihm gnädig.

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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