von Yahya ibn Rainer
Einiger Warnungen zum Trotz besuchte ich gestern die Veranstaltung der Islamischen Hochschulgemeinde e.V. in Hamburg. Der Titel dieser Veranstalung war Aqida – Die Grundsäulen des Islam und geladen waren, zu den Themen Identität – Bewußtsein als Muslim, Schöpferbeweis – Ausführung einer Methodik, Qur’an als Wunder – Wundercharakter aus linguistischer Sicht und Ibadah – Umsetzung der Islamischen Lebensweise, die bekannten Dozenten Mohammed Johari, Dr. Abdurrahman Reidegeld und Abdelhay Fadil.
Gewarnt wurde ich vor dieser Veranstaltung aus dem üblichen Grund, wenn es um Themen der Religionsfundamente (‚Aqida) im Islam geht; man solle eben nicht mit den Neuerungsträgern sitzen, sei es auch nur bei der Rezitation des Qurans. Eine Warnung die ich durchaus zu schätzen weiß und die auch vollkommen nachvollziehbar ist, besonders für Muslime mit wenig fundiertem Wissen und mangelnden Arabischkenntnissen. Allerdings hadere ich hier eher mit der Definition des Neuerungsträgers und hege Zweifel daran, dass die frühen Gelehrten, die uns diesen Ratschlag gaben, damit die gleichen Personen meinten, wie sie heute von uns mit diesem Namen betitelt werden. So machte ich also Idschtihād bezüglich der genannten Personen (da es vor mir anscheinend noch kein Gelehrter tat) und kam zum Ergebnis, dass ich diese Veranstaltung als kritischer Betrachter besuchen darf. 🙂
Um es vorweg zu nehmen: Ich habe die Veranstaltung vorzeitig verlassen
Allerdings nicht wegen dem schlechten Niveau des Dargebotenen, sondern weil ich leider ein Krüppel bin und das Sitzen auf hölzernen Klappstühlen im Hörsaal der Hamburger Universität – wo die Veranstaltung stattfand – leider nicht über so langen Zeitraum ertragen kann. Ich musste also notgedrungen nach dem zweiten Vortrag bereits das Feld räumen. Was ich jedoch bis dahin für Eindrücke sammeln konnte, dass möchte ich hier gern mitteilen.
Männlein und Weiblein
Allah sei Dank gibt es Facebook, wo Veranstaltungen nicht nur angekündigt, sondern praktisch vor Ort auch schon diskutiert werden können. So durfte ich im Rahmen einer solchen Diskussion den Verantwortlichen – einem Studenten namens Hussein (wenn ich mich nicht irre) – bei der Aussage lesen, dass bei der gesamten Veranstaltung Männlein und Weiblein getrennt sein werden, wie es sich für Islamische Veranstaltungen gehört. Dazu sollten die Herren der Schöpfung im unteren Teil des Hörsaals Platz finden und sämtliche Damen der selbigen auf einer Empore, die praktisch den gesamten Saal auf Höhe des 2. Stockwerks umkreiste; beide wohlgemerkt mit eigenen Zugängen.
Soweit zur Ankündigung. Die Wahrheit sah leider ein wenig anders aus. Die wirklich reichlich anwesenden und z.T. recht hübsch gemachten Damen waren viel zu zahlreich für die schmale Empore. So musste also – notgedrungen, aber anscheinend ohne jeglichen Einspruch – mindestens die Hälfte (die hintere, zu meiner Freude) des Hörsaals mit hübsch gemachten muslimischen Studentinnen und GästInnen besetzt werden. Das ließ sich anscheinend wirklich nicht vermeiden, es sei denn man wollte etwa 2 Drittel aller Damen des Hauses verweisen. So saßen dann also eine recht große Menge an weiblichen Wesen – schön aufgefächert, wie es eine Hörsaal hergibt – direkt hinter z.T. oder gar mehrheitlich unverheirateten jungen Männern, die sich ihrerseits natürlich auch recht hübsch gemacht hatten.
Typisch morgenländisch?
Leider, muss ich zugeben, kam ich etwa 20 Minuten zu spät am Veranstaltungsort an, was mir unangenehm war, wollte ich doch nicht bei laufendem Programm durch die Reihen konzentrierter Hörer warten. Doch, oh Wunder, auch die Veranstaltung hatte Verspätung. In meinem Fall hätte das jetzt ausnahmsweise kein Anlass zur Beschwerde sein können, wenn nicht nach meiner Ankunft viele weitere Minuten ins Land ziehen mussten, bis sich endlich jemand auf das Podest verirrte. Ich habe übrigens noch NIE eine Islamische Veranstaltung besucht die pünktlich angefangen hätte. Mich persönlich regt das immer wieder auf und ich frage mich ob das tatsächlich eine morgenländische Eigenheit ist … und warum?
Discomisco Pardyhardy
Dann, ich habe leider nicht auf die Uhr geschaut, ging es los, gefühlt etwa 1 Stunde zu spät und leider nicht mit einem Vortrag. Man hatte zu Beginn der Veranstaltung noch die Vorstellung des ersten staatlich anerkannten Muslimischen Studienwerkes eingeschoben, wozu es, nach kurzer Ankündigung des kopfschmerzengeplagten Verantwortlichen – Hussein – , einen Videoeinspieler gab. Naja, was soll ich sagen? Verstärkt über die Hörsaal-Audioanlage gab es nun laute und basslastige Musik zu hören. Im Video stellte sich das Muslimische Studienwerk vor, dass sich nach Avicenna (Ibn Sina) benennen ließ, einem Mediziner und Philosophen den u.a. auch Imam Abu Hamid al-Ghazali – Allah sei ihm gnädig – zum Ungläubigen erklärte. Im Video als besonders förderungswert gelten u.a. die Musikwissenschaften, was durch einen dementsprechenden Schriftzug und eine kopftuchtragende Kontrabassspielerin dargestellt wurde, die im teiltransparenten Kleid und mit gespreizten Bein lautstark ihr Instrument in freier Natur malträtierte.
Genug gemeckert?
Es mag für einige Mitanwesende der Veranstaltung als boshafte Schlechtmacherei wirken, wie ich hier in den ersten Absätzen dieser Berichterstattung schreibe. Ich gebe allerdings nur meine eigene Wahrnehmung wieder und die ist nun einmal typisch deutsch und überaus kritisch …
Johari
Aber Schlechtmacherei ist eben nicht meine Absicht und so kommen wir nun zu den lobenswerten Momenten dieser Veranstaltung. Hier ist klipp und klar der erste Dozent zu nennen, der leider – laut Vorankündigung – nur eine einleitende Funktion zu erfüllen hatte. Mohammed Naved Johari ist ein begnadeter Redner. Er hat eine klare und korrekte Aussprache, bedient sich einer gepflegten und gebildeten Rhetorik und hat zudem noch einen anständigen und zurückhaltenden Humor. Von ihm hätte ich mir mehr anhören können, als nur diesen viel zu kurzen Vortrag über Identität im Islam. Trotz alledem konnte ich etwas mitnehmen und fühlte mich in vielerlei Hinsicht bestätigt. Vor allem auch beim Thema der kulturellen Zugehörigkeit, wozu auch Speise- und vor allem Kleidungsgewohnheiten gehören, sprach er mir aus der Seele und führte z.T. gleiche Begründungen an. Während seiner knappen Stunde kam gewissermaßen das ständige Kopfnicken zum Einsatz, dass ich zuvor beim lautstarken Musikeinsatz erfolgreich unterdrücken konnte.
Herr Dr. Reidegeld
Dann kam diejenige Person zum Einsatz, die eigentlich meine Hauptmotivation für den Besuch der Veranstaltung war. Dr. Abdurrahman Reidegeld, der bekannte Verfasser des Handbuch Islam und sonst als sogenannter Islamologe bekannt. Ich schätze ihn als intelligenten und redegewandten Referenten und natürlich als Artgenossen, also als Deutschen Islam-Konvertiten. Herr Dr. Reidegeld, so förmlich möchte ich ihn weiterhin nennen, ist der typisch Deutschen Art treu geblieben. Er ist deutlich und geradlinig in seinen Äußerungen, fordert Disziplin und Aufmerksamkeit von seinen Zuhörern und ist korrekt und förmlich im Umgang (er hat z.B. die Zuhörerschaft durchweg gesiezt). Ich mag das sehr und würde mir wünschen, dass auch zeitgenössische Konvertiten der Art und Form ihrer Herkunft mehr Platz in ihrer Aussenwirkung einräumen würden, denn das ist u.a. Identität.
Sein Thema, nämlich der Schöpferbeweis (der logische, wie sich später herausstellte), war ein sehr anspruchsvolles und erforderte tatsächlich die von ihm mehrfach gewünschte Aufmerksamkeit. Während dieser Zeit standen in meinem direkten Umfeld mehrere junge Männer auf und verließen den Saal. Ob sie das Thema einfach überforderte oder ob sie aufgrund der mehrfachen Lobpreisung des Herrn Dr. Reidegeld auf die Kalamwissenschaften den Vortrag verließen, dass wurde mir nicht gewahr. Auch mich wurmte diese recht laute und sicherlich auch absichtlich betonte Gutstellung des ‚Ilm al-Kalam durch den Herrn Dr., aber das war bei diesem Thema wohl nicht zu vermeiden. Herr Dr. Reidegeld war der festen Überzeugung, dass es allein das Verdienst der Kalamwissenschaften – im Verein mit den ‚Aqida-Wissenschaften natürlich – sei, dass man heute einen rein logischen Schöpferbeweis erlangen konnte. Ein solch rein logischer Schöpferbeweis, und das impfte er uns mehrfach und eindringlich ein, könne natürlich niemals eine Rechtleitung ersetzen, sondern sei eher für den Disput mit früheren und zeitgenössischen Atheisten, Deisten und Agnostikern usw. geeignet und ggf. als Heilmittel für Momente des Zweifels.
Eine Tatsache, die Herr Dr. Reidegeld bereits zu Beginn seines PowerPoint-gestützten Vortrages erwähnte, war mehr als zutreffend. Er überlegte nämlich ob er überhaupt zu diesem Thema referieren solle. Nicht wegen der Brisanz dieser Thematik (immerhin haben nicht wenige Gelehrte die Anwednung der Logik in ‚Aqida-Angelegenheiten klar abgelehnt), sondern wegen der kurzen Zeit die ihm dafür zur Verfügung stand. Zur Abarbeitung dieses Themas hatte er weit über 40 Power-Point-Folien vorbereitet, von denen er knapp 60-70% nur wegen des Zeitmangels überspringen musste. Es fiel z.B. eine Erwähnung der Gelehrten unter den Tisch, die eben diese Herangehensweise anhand der reinen Logik als kritisch betrachteten oder gänzlich ablehnten, aber auch die Herausarbeitung der Prämissen und Schlüsse wurde zum Ende hin einfach übersprungen und war deshalb für viele Zuhörer ganz gewiss nicht gänzlich nachvollziehbar. Und zu guter Letzt hatten wir nicht einmal den tatsächlichen logischen Schöpferbeweis erlangt, sondern lediglich eine für diese Beweisführung nötige Definition der Ilahiyya, also der Göttlichkeit.
Als überzeugter Salafist und Schlüsselfigur der Salafisten in Norddeutschland lehne ich die Anwendung der reinen Logik in den Angelegenheiten der ‚Aqida natürlich kategorisch ab und auch das Lob auf die Kalamwissenschaften kann ich so, wie Herr Dr. Reidegeld, natürlich nicht teilen. Trotz alledem habe ich die Sitzung genossen. Allein seine typisch deutsche Art und Form des Referierens war genüsslich schlicht und sachlich, eine willkommene Abwechslung bei all dem z.T. emotional überladenen Angebot was unsere salafistischen Lehrer zu bieten haben.
Eine Stelle in Herrn Dr. Reidegelds Vortrag möchte ich aber noch erwähnen. Ich hoffe natürlich auf eine Audio- oder Videoaufnahme, um das folgende Gehörte zu konkretisieren, aber zumindest von der Bedeutung her kann ich es wiedergeben. An einer Stelle, wo der Herr Dr. über die Machbarkeit des Schöpferbeweises referierte, erwähnte er ausdrücklich und mit erhobener Stimme, dass dieses ausschließlich für den islamischen Schöpferbegriff möglich wäre und definitiv nicht für den christlichen Schöpferbegriff, der wäre nämlich schon in sich unlogisch und somit für eine logische Beweiskette nicht geeignet. In diesem Zusammenhang sagte er etwas, was mich kurzzeitig tief erschrak aber letztendlich in meiner Sichtweise bestätigte.
Abfall von allem
Wer nämlich die reine Logik zum Schöpferbeweis anerkennt oder gar seinen Iman darauf basieren lässt, dessen Glauben ist lediglich so stark wie sein Beweis. So kann eine unterlegene Diskussion in diesem Bereich schnell zu einem Abfall vom Glauben führen, es sei denn man verwirft in diesem Moment der Niederlage die Anerkennung der Logik. So meinte Herr Dr. Reidegeld (ungefähr wiedergegeben) an einer Stelle seines Vortrages über die Machbarkeit eines logischen Schöpferbeweises am christlichen Schöpferbegriff folgendes:
„Eine solcher (christlicher) Schöpferweweis ist nicht möglich und wenn es jemand schaffen sollte, dann falle ich von allem ab.“
Ich hoffe natürlich das ich mich verhört habe oder der Herr Dr. sich versprochen hat, aber auch wenn diese Aussage so nicht auf ihn anwendbar ist, so birgt die Kalamwissenschaft solchen Grades für schwache Imane genau dieses Risiko, nämlich dass man durch die Wiederlegung der eigenen logischen Beweise, rein aus der Logik heraus, auch das Ergebnis in Frage stellen müsste.
Rückenschmerzen
Das war dann der 2. von 4 angekündigten Vorträgen. Ich musste bereits beim 1. Vortrag abwechselnd meine Beine durchstrecken und meine Sitzhaltung ständig ändern, was in diesem engen Uni-Hörsaal recht unangenehm für mich und meine direkten Nachbarn war. So musste ich nach Beendigung des 2. Vortrages leider die Veranstaltung verlassen und mich auf den Heimweg machen. Leider, muss ich sagen, denn das Niveau und die rhetorische Güte der Dozenten war sehr ansprechend und ich fühlte mich durchaus zum Nachdenken angeregt.
Solcherlei Veranstaltungen müssten meiner Ansicht nach in Moscheen stattfinden. Dort ist erstens eine räumliche Trennung von Männlein und Weiblein viel besser möglich, man kann die anfallenden Gebete in angemessener Atmosphäre verrichten und auch die Sitzgelegenheiten sind anpassbarer. Ein Hörsaal hingegen ist mir einfach zu kalt, eng und unpersönlich. Vielleicht sind derartige Happenings zukünftig auch im angemessenen Umfeld möglich, wenn irgendwann die Al-Nour-Moschee endlich in die Kapernaumkirche eingezogen ist.