[Erstmals publiziert am 30.12.2013 / hier leicht redigiert]
Bereits im letzten Blogeintrag ging ich kurz auf die Situation von Muslimen ein, die mit einer homosexuellen Neigung leben. Nun möchte ich einen weiteren Auszug aus dem Werk Das Halsband der Taube des andalusischen Großgelehrten Ibn Hazm posten.
Inhaltlich geht es um die Menschen, die eine Leidenschaft trifft, die zum Verbotenen führen kann. Zum Beispiel wenn man sich in einen anderen Menschen verliebt, mit dem der intime Umgang als verboten gilt. Dazu zählen für den Mann sämtliche Nichtehefrauen (außer milk al-yamin) ebenso wie sämtliche Männer.
Wer eine solche verbotene Leidenschaft erfolgreich bekämpft, ihr also zu Lebzeiten nicht erliegt, wird dafür von Allah belohnt, wie jeder der sich vom Verbotenen fernhält. Laut einigen Gelehrten kann ein solcher Jihad an-Nafs sogar den Tod eines Märtyrers herbeiführen, also den vorzüglichsten Tod, den unser Schöpfer nur für diejenigen reserviert hat, die sich für IHN und auf SEINEM Wege abmühen und dabei den Tod finden. Gewissermaßen ein Liebesmärtyrium.
Auch Ibn Hazm erwähnt den Hadith, der Grundlage ist für dieses Urteil, und nennt daraufhin auch einige Beispiele, die er anscheinend als dafür würdig erachtet. Im folgenden Auszug könnt ihr zwei dieser Beispiele lesen, die ich extra deshalb ausgesucht habe, weil sie eben auf eine Homosexualität hindeuten:
»Manchmal kommt es vor, daß die Sache ernster wird, der Verliebte besonders empfindlich und seine Besorgnis ungewöhnlich groß ist. Dies kann zum Tode und zum Abscheiden aus dieser Welt führen. In der religiösen Überlieferung heißt es:
‚Wer sich verliebt, keusch bleibt und stirbt, ist ein Märtyrer.‘ *
Mein Freund Abuʾs-Sarī ʿAmmār ibn Zijād hat mir nach einem ihm vertrauenswürdig erscheinenden Gewährsmann erzählt, daß der Kanzleibeamte Ibn Kuzmān durch die Liebe zu Aslam ibn ʿAbd al-ʿAziz, dem Bruder des Premierministers Hāschim ibn ʿAbd al-ʿAziz – er war nämlich ein äußerst hübscher Mensch – so hart geprüft worden sei, daß ihn seine Gefühle auf das Krankenlager warfen und ihn in eine Lage versetzten, die zum Tode führen mußte. Ohne zu wissen, daß er der Grund für seine Krankheit war, sprach Aslam häufig bei ihm vor und besuchte ihn oft, bis er aus Schmerz und infolge langen Siechtums starb. Der Gewährsmann fügte hinzu: „Nach seinem Hinscheiden teilte ich Aslam den Grund seiner Krankheit und seines Todes mit. Da grämte er sich und sagte: ,Warum hast du mich nicht davon unterrichtet?‘ Ich erwiderte: ‚Warum sollte ich das tun?‘ – ‚Bei Gott!‘ sprach er, ‚ich hätte ihn noch häufiger besucht und wäre kaum von ihm gewichen; denn mir hätte dies nichts ausgemacht.‘‟ Dieser Aslam war ein besonders fein gebildeter und in geistiger Beziehung vielseitiger Mann mit einer Fülle von Kenntnissen auf rechtswissenschaftlichem Gebiet. […] Sowohl äußerlich wie innerlich war er ein über alle Maßen reizender Mensch. Er war der Vater des Abuʾl-Dschaʿd, der im Westviertel Cordobas wohnte. […]
Die Geschichte mit meinem Freund Abū ʿAbdallāh Muhammad ibn Jahjā at-Tamīmī, bekannt unter dem Namen Ibn at-Tubnī, verhielt sich folgendermaßen: Er sah aus, als ob die Schönheit nach seinem Urbild oder aus der Seele aller, die ihn geschaut, erschaffen worden wäre, so daß mir keiner zu Gesicht kam, der ihm gleich war an Schönheit, Anmut und Körperbildung, an Sittenstrenge und Ehrbarkeit, an Bildung, Geist, Milde und Treue, an Vornehmheit, innerer Sauberkeit und Edelmut, an Sanftmut, angenehmem Wesen und Liebenswürdigkeit, an Geduld und Nachsicht, an Verstand, Männlichkeit, Religiosität und Wissen, keiner auch, der gleich ihm den Koran und die Traditionen, die Grammatik und den Sprachschatz im Kopfe hatte, keiner, der so meisterhaft dichtete und kalligraphisch schrieb, der in seiner Rede so geschickt und abwechslungsreich war wie er und außerdem eine beachtliche Fähigkeit in der Scholastik und Dialektik besaß. […]
In Valencia traf ich meinen Freund Abu Schākir ʿAbd ar-Rahmān ibn Muhammad ibn Mauhib al-ʿAnbari. Er teilte mir das Hinscheiden des Abū ʿAbdallāh ibn at-Tubnī mit und unterrichtete mich von seinem Tode. Gott habe ihn selig! Al-Musʿab hat darüber folgendes erzählt: „Ich habe Abū ʿAbdallāh ibn at-Tubnī nach dem Grund seiner Krankheit gefragt. Damals war er schon abgemagert, und die schönen Züge seines Angesichtes waren infolge des Siechtums bereits geschwunden, so daß eigentlich nur noch die Ursubstanz übriggeblieben war, die nun von ihrem einstigen Aussehen kündete. Es kam mit ihm so weit, daß ihn ein Hauch beinahe wegblies. Fast ging er schon gebückt, und die Qual zeichnete sich auf seinem Antlitz ab. Wir beide waren allein, und so sprach er zu mir: ,Ja ich will dir erzählen: Ich stand an meiner Haustür in Ghadir asch-Schammās, als ʿAli ibn Hammūd in Cordoba einzog und die Truppen aus den verschiedenen Richtungen daselbst heranströmten. Da gewahrte ich unter ihnen einen Jüngling. Bis zu dem Augenblick, da ich ihn sah, habe ich nicht geglaubt, daß sich die Schönheit in einer leibhaftigen Gestalt verkörpern könnte. Er überwältigte meinen Verstand, und mein Geist wurde ganz von ihm eingenommen. Als ich mich nach ihm erkundigte, sagte man mir: ‚Dies ist der und der aus der und der Gegend‘, einem Landstrich, der fern von Cordoba und weit entlegen war. Da gab ich die Hoffnung auf, ihn nach jenem einen Mal wiederzusehen. Bei meinem Leben, Abū Bakr! Die Liebe zu ihm weicht nicht von mir, bis sie mich ins Grab bringt.‘‟ Und so war es auch. Ich kenne jenen Jüngling und weiß, wer er ist. Ich habe ihn gesehen, unterlasse es aber, seinen Namen zu nennen, weil er schon gestorben ist und sie sich beide bereits bei Gott, dem Mächtigen und Erhabenen, wiedergefunden haben. Er aber möge uns allen verzeihen! […]«
* Dieser Hadith existiert mit mehreren Ketten und ist ebenso in verschiedenen Wortlauten bekannt, erreicht aber anscheinend nie die Klassifizierung eines guten (hassan) oder gesunden (sahih) Hadith. Das Urteil des Liebesmärtyrers, dass auf diesem Hadith basiert, geht wahrscheinlich bereits auf Dawud bin Ali bin Khalaf al-Zahiri, den Gründer der Zahiri-Rechtsschule, zurück, was u.a. al-Subki in seinem Tabakat al-Shafi’iyah erwähnt. Ibn Qayyim bezeichnet den Hadith in seinem Werk Die prophetische Medizin jedoch als erfunden (maudu‘) und schliesst einen Märtyrertod aufgrund einer menschlichen Leidenschaft aus.