Die Begum-Araber, die zum Teil Viehzucht und zum Teil Landbau treiben, wurden von einer Witwe, namens Ghalye, angeführt, deren Ehemann einer der angesehensten Männer zu Taraba war. Sie selbst besaß mehr Reichtum, als irgendeine arabische Familie in der Nachbarschaft. Sie verteilte Geld und Lebensmittel unter alle Armen ihres Stammes, die sich bereit erklärten, gegen die Türken zu fechten. Ihr Tisch war für alle rechtgläubigen Wahaby gedeckt, deren Häuptlinge in ihrem Hause beratschlagten; und da die alte Frau wegen ihres richtigen Urteils und genauer Kenntnis der Interessen der umgebenden Stämme berühmt war, so wurde ihre Meinung nicht allein in den Beratschlagungen angehört, sondern wurde auch in der Regel angenommen. In der Tat regierte sie die Begum, obschon dieselben dem Namen nach einen gewissen Ibn Khorschan zum Häuptling, oder Scheikh hatten. Seit der ersten Niederlage des Mustafa Bey in der Nähe von Taraba war der Name Ghalye im ganzen Lande bekannt geworden. Die Furcht der türkischen Soldaten vergrößerte bald den Einfluss und die Wichtigkeit dieses Weibes. Sie betrachteten sie als das Oberhaupt der vereinigten Wahaby und erzählten die albernsten Geschichten über ihre Macht als Zauberin, so z. B. dass sie mit allen Anführern der Wahaby ihre Gunstbezeigungen teile, die dadurch unsichtbar würden.
Diese Gerüchte trugen dazu bei, den Mut der Osmanen niederzuschlagen, und stärkten dagegen das Selbstvertrauen der Beduinen. Dieser Umstand trug auch sehr wesentlich dazu bei, dass die Expedition des Tusun Pascha verunglückte. Mohammed Aly beschloss endlich, einen zweiten Angriff zu machen, und Tusun Pascha wurde deshalb beordert, gegen Ende des Oktober, oder zu Anfange des Novembers 1813 mit zweitausend Mann von Tayf aufzubrechen und Taraba zu nehmen. Das Land zwischen dieser Stadt und Tayf war im Besitze der feindlichen Stämme Beni Sad, el Nasera und besonders im Besitze des Stammes Ateybe. So lange der Scherif regierte, hatten diese Stämme neutral zu sein geschienen, und mehrere ihrer Scheikhs waren sogar nach Mekka gekommen, um mit dem Pascha zu unterhandeln. Sobald aber letzterer den Scherif festgenommen hatte, flohen sie alle in ihre Gebirge zurück und machten Angriffe gegen Tayf und gegen die türkischen Truppen, welchen sie die Treulosigkeit des Paschas zum Vorwurf machten.
Als Tusun Tayf verließ, nahm er auf dreißig Tage Proviant mit, brachte aber den größeren Teil dieser Zeit mit einem ermüdenden Kriege gegen die Araber des Stammes Ateybe zu, die er in ihren Bergen herum jagte und auch einige ihrer Nebenzweige zur Unterwürfigkeit brachte. Als er endlich vor Taraba angelangt war, hatte er nur noch Lebensmittel auf drei Tage übrig. Die Truppen wurden befehligt, die Stadt sogleich anzugreifen; aber die Araber verteidigten ihre Mauern mit Mut und wurden durch die Gegenwart und die Ermahnungen der Ghalye begeistert, während die Türken ohne alle Aussicht auf eine reiche Beute und ermüdet durch vorausgegangene Strapazen sich leicht zurückschlagen ließen. Tusun befahl einen zweiten Angriff für den folgenden Tag, aber seine Truppen weigerten sich offen, gegen die Ghalye zu kämpfen; auch stellten ihm seine Offiziere den erschöpften Zustand der Armee und den Mangel an Lebensmitteln vor, mit der Bemerkung, dass im Falle sie abermals zurückgeschlagen würden, alle vor Hunger sterben müssten. So bewogen sie ihn zu einem Rückzuge nach Tayf. Als die Beduinen seine Verlegenheit gewahr wurden, kamen sie, nachdem er den Rückweg angetreten hatte, aus ihrer Stadt hervor, drängten seine Soldaten aufs Heftigste, besetzten die Pässe, durch welche er kommen musste, und plagten ihn so sehr, dass zuletzt die Türken ihr ganzes Gepäck, ihre Zelte, ihre Artillerie und ihren Proviant zurücklassen mussten.
Hier zeichnete sich der schon rühmlich erwähnte Schotte Thomas Keith abermals aus: mit Wenigen seiner Reiter nahm er dem Feinde wiederum eine Kanone ab und richtete sie so gut, dass die flüchtigen Türken Zeit erhielten, ein Defilé[1] zu passieren, in welchem sie sonst wahrscheinlich umgekommen sein würden. Bei diesem Rückzuge wurden über siebenhundert Türken erschlagen; viele starben, weil es an Wasser und Lebensmitteln fehlte, denn schon vor Taraba war ein Pfund Zwieback bis zu einem Dollar gestiegen. Von gänzlicher Vernichtung wurde die Armee durch etwa hundert Reiter gerettet, welche den Tusun Pascha begleiteten. Die Infanterie der Beduinen war nicht im Stande, den Angriff dieser schweren ägyptischen Kavallerie auszuhalten, die jedoch nur wenig Gelegenheit fand, mit Erfolg in diesen bergigen und felsigen Distrikten zu agieren. Die flinken und abgehärteten Söhne der Wüste hatten große Vorteile vor dem plumpen türkischen Infanteristen voraus, der nicht im Stande ist, viele Strapazen zu tragen.
Nach großem viertägigen Ungemach und nachdem Tusun Pascha mit genauer Not entkommen war, langte er mit dem Reste seiner Armee von Taraba in Tayf an. Der unglückliche Ausgang dieser Unternehmung ist hauptsächlich dem Mangel an Kamelen für den Transport der Mannschaft und des Proviants zuzuschreiben. Auch gab es zu Tayf keine Kamele mehr, welche ihm Mannschaft und Proviant hätten zuführen können. Mit seinem anderen Gewinn, als der Erfahrung, die sich aus Missgeschick ziehen lässt, war Aly nach dieser wichtigen Niederlage genötigt, zu seiner früheren Beschäftigung zurückzukehren, nämlich Karawanen zwischen Dschidda, Mekka und Tayf hin und her zu senden, indem er die Überzeugung hatte, dass alle Operationen gegen seine Feinde am besten von Tayf aus unternommen würden.
Nachdem die Wahaby die Türken bis auf eine Tagereise vor Tayf verfolgt hatten, kehrten sie nach Taraba zurück und begannen wiederum, die Karawanen des Paschas mittelst fliegender Korps zu beunruhigen, sodass dieselben nur mit einer so zahlreichen Bedeckung ihrem Ziel entgegen schreiten konnten, dass vor der Erreichung desselben schon der dritte Teil des Proviants unterwegs verzehrt wurde. Mohammed Aly hielt sich teils in Mekka, teils in Dschidda auf.
Im November 1813 ging die heilige Wallfahrt mit großem Pomp vor sich. Soleyman Pascha von Damaskus war mit der syrischen Karawane, ohne das geringste Hindernis, durch die Wüste gekommen; aber die Beduinen, durch deren Gebiet sein Weg führte, nötigten ihn, auf 10 Jahre den Durchgangstribut zu bezahlen, so lange nämlich war die syrische Karawane gänzlich ausgeblieben. Eine große Zahl von Pilgern aus Kleinasien und Konstantinopel waren über Suez und Dschidda nach Mekka gekommen, und die Bewohner der heiligen Städte freuten sich schon, den Gewinn zurückkehren zu sehen, den ihnen ehedem die Anwesenheit der Pilger gebracht hatte und dessen sie zum Teil durch die Wahaby beraubt worden waren. Mehrere 1000 Kamele waren auch aus Kairo dem Pascha mit der Pilgerkarawane nebst einer bedeutenden Truppenverstärkung gesendet worden. Mustafa Bey wurde nach Ägypten zurückgesendet, um für die vielen verlorenen Pferde neue Remonte[2] zu holen. Während des Winters 1813 und zu Anfang des Sommers 1814 blieb die türkische Armee ganz untätig.
Nachdem jede Expedition gegen den Feind fehlgeschlagen war, ausgenommen diejenige, wo Medinah genommen wurde, hielt es der Pascha für nötig, eine Diversion[3] nach einem neuen Plane zu versuchen, deren Erfolg seinen Truppen Mut einflößen und die Aufmerksamkeit der Wahaby vom Hauptpunkte des Angriffes abziehen sollte. Eine Seeunternehmung wurde zu Dschidda ausgerüstet, durch 1500 Mann Infanterie und zahlreiche Transporte von Proviant unterstützt. Dem Hossein Aga und dem Saym Oglu wurde das Kommando über diese Macht anvertraut. Sie gingen nach Gonfode, einem Seehafen, sieben Tagereisen südlich von Dschidda und ehedem zum Gebiete des Scherif Ghaleb gehörig, aber während der fünf letzten Jahre im Besitze Tamys, des Scheikhs der Asyr-Araber, des stärksten der Gebirgsstämme südlich von Mekka und der eifrigsten Anhänger der Wahaby. Die Lage von Gonfode schien vorteilhaft zu sein, um, in Übereinstimmung mit der Garnison von Tayf, Angriffe auf die Gebirgsbewohner zu machen; und da der Ort leicht verproviantiert werden konnte, auch schon ein Schritt zur Eroberung von Jemen war, dessen Reichtum ohne Zweifel auf Mohammed Aly eine starke Anziehungskraft äußerte, so war der Plan im Ganzen gar nicht Übel. Gonfode, wo Tamy nur eine schwache Garnison hielt, wurde im März 1814 ohne Blutvergießen genommen; aber die meisten Einwohner waren entflohen. Ein Korps von 400 Mann Kavallerie rückte von Dschidda aus, sobald die Einnahme der Stadt bekannt war. Gonfode war hinlänglich mit einer Mauer befestigt, um einem Feinde Widerstand leisten zu können, dem es, wie den Wahaby, an Artillerie fehlte; aber es hatte in seinem Weichbild kein Wasser, und die Brunnen, welche der Stadt ihren Wasserbedarf liefern, liegen drei Stunden weit am Fuße der Gebirge. Man hätte müssen an diesen Brunnen Befestigungen anlegen und den Weg von da bis zur Stadt durch eine befestigte Linie, oder durch Batterien schützen, indem die Türken eine Menge Artillerie bei sich hatten; aber solche Vorsichtsmaßregeln fallen dem stupiden Verstand eines Osmanenanführers, der an den nächsten Augenblick gar nicht denkt, niemals ein. So wurden auch die Brunnen von Dschidda, welche eine halbe Stunde von dieser Stadt entfernt liegen, beständig ohne alle Verteidigung gelassen.
An die Brunnen von Gonfode wurden 150 Arnauten gestellt, nicht sowohl, um sie gegen den Feind zu schützen, als um die benachbarten Araber und die Bewohner des Landes zu verhindern, ihr Vieh zu tränken. Nachdem die Türken etwa einen Monat ganz untätig zu Gonfode geblieben waren, wurden sie zu Anfange des Mai von 8 bis 10000 Wahaby unter der Anführung Tamys überfallen. Die Arnauten an den Brunnen wurden zuerst angegriffen. Einige von ihnen fochten sehr tapfer bis gegen Abend, die anderen flohen nach der Stadt und verbreiteten eine allgemeine Bestürzung. Ohne nur den geringsten Widerstand zu versuchen, eilte der von panischem Schrecken ergriffene Befehlshaber, nebst den meisten seiner Truppen, nach den Schiffen, die im Hafen lagen, während die Wahaby in die Stadt drangen und viele Soldaten und Sklaven töteten, die zur türkischen Armee gehörten, sich aber nicht in Boote retten und auch nicht schwimmen konnten. Viele von ihnen wurden sogar noch im Wasser, nahe an den Schiffen, von den ihnen nachschwimmenden Wahaby erschlagen. Der türkische Befehlshaber sah sich kaum am Bord seines Schiffes, als er die Segel zu spannen befahl und alle diejenigen einem sicheren Tode überließ, die nicht zu Wasser entkommen konnten.
Niemals hatten die Wahaby so reiche Beute gefunden, als zu Gonfode. Das ganze Gepäck, beträchtliche Vorräte und alle Kanonen fielen ihnen in die Hände, indem wenige Türken mehr mit sich genommen hatten, als die Kleider, welche sie am Leibe trugen. Aber der wichtigste Teil der Beute waren 400 Pferde und eine beträchtliche Zahl Kamele.
Da die Schiffe schlecht mit Wasser, oder Proviant versorgt waren, so starben viele türkische Soldaten und Matrosen auf dem Wege nach Dschidda. Aber man versichert, dass der Befehlshaber, Saym Oglu, regelmäßig seine Hände in süßem Wasser wusch, während seine unglücklichen Begleiter vor Durst umkamen. Er wurde indessen, als die Expedition zu Dschidda ankam, zum Gouverneur dieses Platzes gemacht. Die wenigen Soldaten, welche den Tag über bei Gonfode gefochten hatten, versuchten es des Nachts, sich durch die Flucht zu retten, und zwölf von ihnen erreichten Mekka, wo sie von Mohammed Aly belohnt wurden und auch die Erlaubnis erhielten, unter ein anderes Korps zu gehen, da sie sich vorgenommen hatten, niemals wieder unter dem Befehle des Saym Oglu zu dienen.
Zu der Zeit, wo die Expedition nach Gonfode unternommen wurde, war Mohammed Aly nach Tayf gegangen, wegen des gesunden Klimas dieser Stadt; auch wünschte er dem Schauplatz der Tätigkeit und dem Aufenthalte der Beduinen näher zu sein, um Versuche zu machen, einen freundschaftlichen Verkehr mit ihnen wiederum herzustellen. Im Junius 1814 langte ein Korps von 1500 Soldaten, die beste Infanterie Ägyptens aus Kairo, unter dem Befehl des Hassan Pascha an, welcher ein berühmter Arnautenanführer und treuer Anhänger Mohammed Alys war, auch dessen Schicksal schon früher geteilt hatte, noch ehe derselbe Pascha von Ägypten geworden war. Hassan und sein Bruder Abdin Bey, der oben bereits erwähnt worden ist, hatten Oberägypten zur Unterwürfigkeit gebracht und waren nachher dem Mohammed Aly bei der Ermordung der Mammelucken zu Kairo behilflich gewesen; denn letztere Tat wurde gänzlich von Arnauten ausgeführt. Er hatte auch neuerlich seinen Eifer bekundet, als eine kurze Revolution entstand, während der Pascha von Kairo abwesend war. Im Dezember 1813, oder im darauf folgenden Januar hatte Latif Pascha einigen Verdacht erregt. Dieser Mann, einst Mammelucke Mohammed Alys, war mit Ismayl Pascha abgesendet worden, um dem Großsultan die Schlüssel von Mekka und Medinah zu überreichen. Von letzterem war er, aus Artigkeit gegen seinen Patron, Mohammed Aly, zu einem Pascha von zwei Rossschweifen ernannt worden. Ein Gerücht verbreitete sich in Kairo, dass Mohammed tot sei, und das Benehmen des Latif Pascha rechtfertigte den Verdacht, dass er die Absicht habe, sich der Regierung zu bemächtigen. Es wurde sogar öffentlich verbreitet, dass er einen Firman von der Pforte erhalten habe, in welchem er autorisiert werde, so zu handeln, sobald sich eine Gelegenheit darbieten würde. Der zurückgelassene Gouverneur ergriff, in Verbindung mit Hassan Pascha, sogleich Maßregeln, diese Revolution zu unterdrücken. Sie belagerten drei Tage lang den Palast des Latif Pascha, welcher bald nachher, als Bauer verkleidet, ergriffen und geköpft wurde. Auf diese Weise stellten sie die Ruhe wieder her.
Nachdem Hassan Pascha in Hedschaz angelangt war, beorderte ihn Mohammed Aly, sein Hauptquartier zu Kolach, einem kleinen Dorfe, acht oder neun Stunden östlich von Tayf an dem Wege nach Taraba, zu nehmen. Dieses Dorf lag in einer Ebene jenseits der großen Bergkette, und zahlreiche Brunnen machten es zu einer höchst wichtigen Position. Es war einigermaßen befestigt. Tusun Pascha, welcher sich das Missfallen seines Vaters durch seinen unüberlegten Angriff auf Taraba zugezogen hatte, blieb in Mekka.
Um diese Zeit kam ich selbst von Sowakin nach Dschidda. Der Zustand der türkischen Angelegenheiten in Hedschaz schien keineswegs einen günstigen Ausgang des Krieges zu versprechen. Unzufriedenheit und Mutlosigkeit waren unter den Soldaten allgemein verbreitet. Die wiederholten Siege, welche der Feind erfochten hatte, und der sichere Tod, welcher alle türkische Gefangene erwartete, machte den bloßen Namen der Wahaby zum Schrecken für die Truppen des Paschas. Die Entlohnung, welche in Ägypten ausreichend war für alle Bedürfnisse des Soldaten, setzte ihn in Hedschaz kaum in den Stand, sich vor Hunger zu schützen. Zu Tayf und Medinah stiegen die Preise aller Bedürfnisse bald so hoch, dass der Soldat kaum im Stande war, zu seiner einzigen Nahrung sättigendes Brot und Zwiebeln zu kaufen, und dabei war immer eine drei-, ober viermonatliche Entlohnung im Rückstand. Selbst in Dschidda und Mekka war alles um 250 Prozent teurer, als in Ägypten, sodass jedermann, welcher vor seiner Ankunft in Hedschaz etwas Geld erspart hatte, es für den Ankauf der unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse wieder ausgeben musste. Die Soldaten wurden übrigens in ägyptischen Piastern bezahlt, einer schlechten Münze, welche in Hedschaz weit geringeren Wert, als in Kairo hatte, sodass die Soldaten allein an dieser Münze den dritten Teil des Betrages ihrer Entlohnung verloren. Viele verkauften ihre Feuergewehre und Kleider, und alle litten durchgängig große Not. Um eine Erleichterung derselben kümmerte sich indessen Mohammed Aly nie. Viele Soldaten, Kameltreiber, Dienstboten und Künstler büßten lieber ihre Entlohnung ein und schifften sich in Dschidda und Yembo nach Kairo ein; aber der Pascha verbot dieses bald unter schweren Strafen. Dieses Verbot war allen sehr unangenehm. Ein türkischer Soldat ist immer ein Freiwilliger und kann sich aus dem Dienste zurückziehen, sobald es ihm gefällt; aber in Hedschaz fanden sich die Soldaten wie Gefangene behandelt. Viele verließen ihre Standorte Tayf und Mekka und kamen heimlich nach Dschidda, in der Hoffnung, an Bord eines Schiffes entfliehen zu können. Wurde dieses entdeckt, so pflegte man sie in Ketten nach ihren Standquartieren zurückzubringen. Auf der Straße von Dschidda nach Mekka habe ich einst selbst mehr, als 30 Soldaten begegnet, welche mit einem langen Seil an den Armen zusammengebunden waren, — eine Beschimpfung, welche diese stolzen Osmanen nie vergessen konnten.
Zu diesen Ursachen der Unzufriedenheit muss man noch die ungesunde Luft und das schlechte Wasser hinzufügen, wodurch die Niederungen der Küste von Hedschaz zu einem der schlechtesten Himmelsstriche werden, die ich nur kenne. Sehr wenige Soldaten sind dem Einfluss dieses Klimas entgangen, und nach einer mäßigen Berechnung war der vierte Teil von ihnen dienstunfähig. Mutlosigkeit, eine Folge der Krankheit und der mangelnden Aussicht auf Besserung, nahm allgemein überhand. Mohammed Aly vernachlässigte auch jedes Mittel, seinen Soldaten Mut einzuflößen und sie wieder zu beleben, indem er nämlich ihre Entlohnung erhöht und Belohnungen unter diejenigen verteilt hätte, die sich bis jetzt ausgezeichnet hatten. Die Entlohnung wurde aber nicht erhöht, auch bestand solche Unordnung im Finanzfach der Armee, dass jeder Vorgesetzte im Stande war, seinen Untergebenen einen Teil ihrer Entlohnung zu entziehen, gegen welche Ungerechtigkeit keine Hilfe zu erlangen war. Wegen Mangel an türkischen Rekruten waren eine Menge ägyptischer Fellah’s von den Beamten, bei welchen sie als Dienstboten lebten, eingeübt worden, um die in der Armee entstandenen Lücken auszufüllen.
Mohammed Aly war vielleicht die einzige Person seines ganzen Hofes und der Armee, welche unter diesen Umständen am endlichen Erfolge nicht verzweifelte, er wusste auch, dass sein Untergang und seine Vertreibung aus Ägypten gewiss erfolgen werde, wenn es ihm nicht gelingen sollte, irgendeinen ausgezeichneten Vorteil in Arabien zu erringen. Seit seiner Ankunft zu Tayf hatte er den Versuch gemacht, wiederum einen freundlichen Verkehr mit den Beduinen anzuknüpfen und erreichte in dieser Hinsicht durch Geld und Geduld teilweise seinen Zweck. Im August 1814 traten die Stämme Hodeyl, Thekyf, Beni Sad und ein Teil des Stammes Ateybe mit ihm in eine neue Verbindung. Die drei ersteren hatten ihre Wohnsitze zwischen Mekka und Tayf, und der letztere weiter nach Osten hin. Ihre Scheikhs waren in sein Hauptquartier gekommen, und 500 ihrer Araber hatten sich unter Mohammed Alys Fahnen versammelt, der ihnen fast doppelt so viel Entlohnung gab, als seinen eigenen Soldaten. Als ich im August 1814 während meines Aufenthalts zu Tayf häusig im Hauptquartier war, langten täglich Beduinen-Häuptlinge an und konnten darauf rechnen, mit einem ganzen Anzug beschenkt zu werden. Die großen Scheikhs bekamen Geld, so oft sie sich einstellten. Viele von ihnen nahmen das Geld, kehrten in ihre Zelte zurück und teilten den Wahaby alles mit, was sie zu Tayf gesehen hatten. Andere blieben neutral; und der Pascha hielt es für zweckmäßig, um nur einige auf seine Seite zu ziehen, allen gute Worte und Geschenke zu geben. Er hörte den Gesprächen und den oft täuschenden Versicherungen der Beduinen mit einem Grade der Geduld und einer, dem Anscheine nach, guten Laune zu, wie man dieses bei Osmanen von einigem Rang gar nicht zu finden pflegt.
Die Söhne der Wüste redeten ihn auf eine sehr plumpe und unzeremoniöse Weise an, indem sie ihn bloß bei seinem Namen, Mohammed Aly, nannten. Eines Tages kam ein Beduine vom Stamm Ateybe zum Pascha, küsste seinen Bart, und rief aus: „Ich habe die Religion der Moslim (oder der echten Gläubigen, wie sich die Wahaby nennen) verlassen, und die Religion der Ketzer angenommen (so nennen nämlich die Wahaby alle Mohammedaner, welche nicht ihres Glaubens sind), ich habe die Religion Mohammed Alys angenommen.“ Diese unbeabsichtigte Grobheit verursachte allgemeines Gelächter, und der Pascha ließ dem Araber durch seinen Dolmetscher antworten (denn er verstand nur unvollkommen die arabische Sprache): „Ich hoffe, du wirst immer ein treuer Ketzer bleiben.“
Aber der Pascha und seine obersten Beamten blieben fast gänzlich unwissend in demjenigen, was die Stärke, die Interessen und die Privatgeschichte der umgebenden Stämme anlangt, und hatten keine Lokalkenntis des Gebietes dieser Stämme, sodass die Beduinen keiner Maßregel ihres neuen Bundesgenossen großes Vertrauen schenken konnten. Der Pascha gewann dennoch täglich mehr an Einfluss, und die Verschwendung, mit welcher er ringsum Dollars ausstreute, wurde selbst bis ins Herz der Heere der Wahaby empfunden; und obschon ich zweifele, dass irgendein Beduine dem Interesse des Paschas aufrichtig zugetan gewesen sei, so benahmen sich doch sehr viele gerade so, als ob dieses wirklich der Fall sei, und stellten wenigstens jede Feindseligkeit ein, um Beweise seiner Freigebigkeit zu erhalten. Selbst Scherif Radscheh, welcher an der Spitze der Feinde des Paschas stand und sich bei den Wahaby während des Angriffes, welchen Tusun Pascha auf Taraba machte, persönlich ausgezeichnet hatte, machte jetzt Vorschläge, zu Mohammed Aly zurückzukehren, indem er Gründe hatte, mit seinen Nebenhäuptlingen unzufrieden zu sein.
Bis jetzt bewies das Benehmen des Paschas, dass Scherif Ghaleb unter den Häuptlingen in Hedschaz der einzige Mann gewesen sei, den er persönlich hasste; und Radscheh konnte aufs Deutlichste dartun, dass er die Sache des Paschas bloß aus Furcht, Ghalebs Schicksal zu teilen, verlassen habe. Im September kam er nach Tayf, und Mohammed Aly empfing ihn äußerst huldreich, übergab ihm auch wieder die Anführung seiner Beduinen-Soldaten.
Außer der herablassenden Höflichkeit, welche Mohammed Aly in seinem Verkehre mit den Beduinen anwendete, hatte er auch alles getan, was nur in seiner Macht stand, um sich die Einwohner von Hedschaz geneigt zu machen. Viele kleine Auflagen, welche noch vom Scherif herrührten, wurden abgeschafft; die Zölle zu Dschidda auf verschiedene Gegenstände, besonders auf Kaffee, wurden vermindert; große Geldsummen, wie auch große Getreidequantitäten wurden unter die Dürftigen und Armen aller Art verteilt. Die Gelehrten und diejenigen, welche an den Moscheen und Schulen angestellt waren, erhielten Geschenke. Die heiligen Orte zu Mekka wurden wieder repariert, und während seines Aufenthaltes in dieser Stadt beobachtete der Pascha sehr pünktlich die unbedeutenden und langweiligen Gebräuche, die denen vorgeschrieben sind, welche die Kaaba besuchen, und welche zu Kairo ihm Stoff zum Spotte gegeben haben würden. Zu Kairo gab er sich in der Tat nicht die geringste Mühe, seine skeptischen, oder vielmehr atheistischen, Grundsätze zu verbergen. Die türkischen Soldaten erhielten durch ganz Hedschaz den Befehl, sich jeder beleidigenden Sprache gegen die Eingeborenen zu enthalten, und es erfolgten sogar harte Strafen, wenn sie die tyrannischen Handlungen zu begehen wagten, die in Ägypten so häufig vorzufallen pflegen. Kein Soldat durfte sich unterstehen, etwas auf dem Markt mit Gewalt, oder um den halben Preis zu nehmen; denn, sobald beim Pascha, oder seinen Beamten darüber Beschwerde geführt wurde, waren die Eingeborenen immer die begünstigte Partei. So wurde nach und nach das strenge Vorurteil der Araber gegen alle Fremden immer schwächer, und der Pascha kam in den Ruf der Gerechtigkeit und Mildtätigkeit, — Eigenschaften, auf welche er in Ägypten nicht den geringsten Anspruch machen durfte.
Im Mai 1814 starb Saud am Fieber, einer Krankheit, welche in Nedschid sehr herrschend ist. An ihm verloren die Wahaby einen unermüdlichen Anführer, welcher alle die notwendigen Talente für die ausgezeichnete Stellung besaß, die ihm zuteil geworden war. Seine letzten Worte sollen an seinen Sohn Abdallah gerichtet gewesen sein und den Rat enthalten haben: „Mit den Türken nie in freier Ebene sich in eine Schlacht einzulassen“, — ein Grundsatz, welcher, wenn er streng befolgt worden wäre, ohne Zweifel den Wahaby die Wiedereroberung von Hedschaz gesichert haben würde. Abdallah, sein ältester Sohn, welchem schon die bedeutendsten Häuptlinge der Wababy während Sauds Leben sich unterworfen hatten, erbte jetzt die oberste Autorität. Es entstand indessen einiger Zwiespalt. Saud hatte mehrere Brüder, welche Ansprüche auf seine Schätze machten, und einer dieser Brüder, namens Abdallah, hatte eine starke Partei der Ulama zu Derayeh auf seiner Seite. Aber nach einigen kurzen Feindseligkeiten wurde Abdallah, der Sohn Sauds, als Oberhaupt der Wahaby anerkannt. Was Mut und Kriegskunst anlangte, besaß er einen größeren Ruf, als sein Vater; nur verstand er nicht so, wie letzterer, die politischen Angelegenheiten der ihm untergebenen Stämme zu leiten, sodass die großen Scheikhs derselben die Miene der Unabhängigkeit anzunehmen begannen. Dies schwächte die allgemeine Stärke. Die südlichen Wahaby, welche jetzt den Angriffen am meisten ausgesetzt waren, fanden sich nicht von den nördlichen Stämmen unterstützt, deren Reiterei ihnen von großer Hilfe gewesen sein würde; und selbst die südlichen Scheikhs waren miteinander uneinig, sodass der Pascha es mehr mit einzelnen Stämmen, als mit einer kombinierten Macht zu tun hatte. Dieser Mangel an Einheit muss vielleicht der Verachtung zugeschrieben werden, in welcher die türkischen Truppen bei ihren Feinden standen.
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[1] Durchmarsch
[2] militärisch ausgebildete Ersatzpferde
[3] Ablenkung